Ich erinnere mich, dass auch unsere Biolehrerin in der Unterstufe uns genau das auch erzählt hat: Dass also der Apfelbaum eine apfelförmige Krone habe und der Birnbaum eine birnenförmige. Das gehört für mich zu den wenigen Dingen, die ich aus dem Pflanzenkundeunterricht noch in Erinnerung habe. Ich habe jetzt bei verschiedenen Botanikern Meinungen eingeholt. Manche meinten, das sei nur ein alter Volksmythos, an dem nichts dran sei. Solche Ähnlichkeiten zwischen Blatt und Baum oder Frucht und Baum seien reiner Zufall. Mal kommt’s vor, mal aber auch nicht.
Kein Naturgesetz
Bei einer Kastanie etwa sehen die Blätter nicht unbedingt aus wie der Baum, auch nicht bei der Esche mit ihren gefiederten Blättern. Die haben gar keine Ähnlichkeit hat mit dem Erscheinungsbild des gesamten Baums. Also ein echtes Naturgesetz steckt da sicherlich nicht dahinter.
Umweltfaktoren können Blätter und Baumform gleichermaßen prägen
Aber die interessante Frage ist ja: Wenn es solche Ähnlichkeiten gibt, ist das wirklich reiner Zufall oder könnte da irgendein Zusammenhang bestehen? Und da haben mir tatsächlich einige Botaniker eine plausible Erklärung gegeben. Nämlich, dass die äußere Umwelt – also die Klimabedingungen, in der eine Pflanze wächst – einen Anpassungsdruck ausübt, der manchmal Blätter und Krone in die gleiche Form bringt.
Spitze Formen als Schutz vor Schneebruch
Ein Beispiel, das mir der Forstwirt und Botanikprofessor Stefan Ruge aus Rottenburg genannt hat: Nehmen Sie Nadelbäume im Hochgebirge. Die haben in der Regel eine schlanke spitze Krone und einen geraden Stamm, um wenig Angriffsfläche für den Schnee zu bieten – damit es also nicht zum Schneebruch kommt.
Und die gleichen Bäume haben auch schlanke, schmale elastische Nadeln – aus dem gleichen Grund, damit sie nicht unter der Last des Schnees brechen. Das Gleiche mit den Zapfen bzw. Früchten dieser Bäume. Eine große Zapfenoberfläche birgt die Gefahr, dass die Zapfen bei schwerem Schnee abfallen, bevor sie reif sind. Also sind die Zapfen schmal und hängen nach unten.
Trockenheit begünstigt Forrmen mit kleinen Oberflächen
Oder nehmen Sie einen anderen Umweltfaktor: Trockenheit. In trocken-heißen Klimazonen haben vor allem solche Bäume überlebt, die im Verhältnis zum Volumen eine kleine Oberfläche haben, von der wenig Wasser verdunstet, sodass die Pflanzen viel Wasser speichern können. Dieser Selektionsdruck kann sowohl auf den gesamten Baum wirken als auch auf die einzelnen Blätter.
Noch ein drittes Beispiel, das mir Peter Groth von der Universität Konstanz genannt hat: Wenn zum Beispiel beim Baum das Blatt groß ist, dann kann es relativ viel Sonnenlicht einfangen. Außerhalb von Trockengebieten ist es also wichtig, große Blätter zu haben, damit diese viel Sonnenlicht einfangen können. Das Gleiche gilt dann natürlich für den ganzen Baum.
Mit Fantasie lassen sich Ähnlichkeiten erkennen
Über solche Zusammenhänge kann man also manche Ähnlichkeiten erklären, aber man muss auch sagen: Mitunter ist es wirklich Interpretationssache.
Wenn wir Ahorn und Linde nehmen, werden die Meinungen schon auseinandergehen. Hat der Ahornbaum wirklich Ähnlichkeit mit diesem gezackten Blatt? Oder wie ist es bei der Linden? Das Lindenblatt ist vorne recht spitz, der Baum selbst ist oben eher ein bisschen rundlich. Das ist also eher eine Sache der Fantasie, inwieweit man diese Ähnlichkeit sehen will oder auch nicht.
Auf jeden Fall ist es ein interessantes Phänomen und die Erklärungen, die ich gefunden habe, sind ganz hilfreich, um zumindest manche Ähnlichkeiten zu erklären.
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