Die Adventszeit ist für viele nicht nur die Zeit der Besinnlichkeit, sondern vor allem die Angst vor dem, was unausweichlich kommen wird: Weihnachten!
Auch wenn es das Fest der Liebe, der Familie und der Geborgenheit ist: Millionen Deutsche verbringen diese emotional besonders aufgeladenen Feiertage einsam und alleine zu Hause. Während an Heilig Abend aus der Nachbarswohnung glückliches Kinderlachen, fröhliche Lieder und Familientrubel zu hören sind, läuft in den eigenen vier Wänden der Fernseher als Dauerberieselung, um dem unerträglichen Alleinsein etwas entgegenzusetzen.
Jeder zehnte Deutsche fühlt sich neuen Studien zufolge einsam. Dabei ist das Gefühl, völlig alleine zu sein, überhaupt keine Frage des Alters. In manchen Großstädten lebt bereits in mehr als der Hälfte aller Wohnungen nur eine Person. Tendenz: steigend. Und das hat Folgen, denn ungewollt einsame Menschen haben ein erhöhtes Krankheitsrisiko und eine verkürzte Lebenserwartung.
Aber Einsamkeit kann auch eine Kraftquelle und eine Begegnung mit sich selbst sein. Denn was die einen als furchtbaren Zustand empfinden, ist für andere ein erstrebenswertes Ziel: Endlich mal alleine zu sein - sei es auf einer einsamen Wanderung oder während einer Auszeit von Job und Familie in der Toskana. Für nichts und niemanden verantwortlich zu sein, außer für sich selbst – dieses Gefühl kann nicht nur befreiend, sein selbst gewähltes Alleinsein kann auch eine heilende Wirkung haben.
Die Gäste bei Michael Steinbrecher:
Barbara Siebeck
Barbara Siebeck und der Gastrokritiker Wolfram Siebeck waren 48 Jahre ein unzertrennliches Paar. Der Austausch über kulinarische Köstlichkeiten, Kultur und Kochraffinessen waren die Zutaten ihres gemeinsamen Lebens. Doch seit dem Tod des Gourmets vor zwei Jahren ist alles anders. Schlagartig ist Stille eingekehrt, dazu gesellt sich die Einsamkeit: „Das ist ein ganz bitteres Gefühl. Es ist mehr als Leere, denn ein Teil von mir ist nicht mehr da“, so die Witwe.
Bruder Markus
Nach einem Ort der absoluten Stille hat Einsiedlermönch Bruder Markus sehr lange gesucht. Und schließlich auf 1800 Metern Höhe gefunden – denn der ehemalige Informatik-Ingenieur lebt komplett von der Zivilisation abgeschieden auf einer Alm in den Walliser Bergen. Um ins nächstgelegene Dorf zu kommen, muss er vier Stunden ins Tal absteigen: „Die Einsamkeit ist für mich die Voraussetzung, um innere Zufriedenheit zu erfahren“, so der Eremit.
Jenny Elvers
Blitzlichtgewitter, roter Teppich und Applaus – seit 30 Jahren kennt Jenny Elvers nichts anderes als ein Leben im Rampenlicht. Doch die Glitzer-Fassade des Boulevards hat auch ihre Schattenseiten. Denn oft wartete nach ihren glamourösen Auftritten nur ein tristes Hotelzimmer auf die Schauspielerin: „Die Einsamkeit kriecht langsam in einem hoch. Keiner ist da, der einen auffängt oder mal in den Arm nimmt.“ Stattdessen wurde die Flasche Rotwein zu ihrem zuverlässigen Begleiter. Bis zum unausweichlichen Totalabsturz.
Hans-Joachim Dera
Keine Familie, keine Freunde - gerade die besinnliche Zeit um Weihnachten fällt Hans-Joachim Dera besonders schwer. Seit drei Jahren lebt der 77-Jährige in einem Seniorenheim. Auch wenn er dort mit weiteren hundert Menschen zusammenwohnt, so verbringt er die meiste Zeit einsam in seinem Zimmer. Sein Auftritt im Nachtcafé im vergangenen Jahr brachte nur für kurze Zeit Veränderung: „Nach der Sendung bekam ich zwar ganz viele Briefe und wurde Heilig Abend sogar von einer Familie eingeladen. Aber aktuell sieht es so aus, dass ich wohl kommende Weihnachten wieder alleine verbringen muss.“
Laslo Pribnow
Allein in den eigenen vier Wänden, den Blick gebannt auf den Computer gerichtet - das war über Jahre das Leben von Laslo Pribnow. Der Student blühte bei Onlinespielen im Internet auf, seine Kontakte zu Freunden und Familie jedoch verkümmerten. Oft war er 18 Stunden am Stück gefangen in der Welt der Computerspiele und igelte sich komplett ein: „Ich bin verwahrlost, habe gestunken, war unterernährt. Soziale Kontakte waren nur noch Stress für mich.“
Sigrid Diether
Es sind traurige Lebensläufe, mit denen sich Sigrid Diether beruflich beschäftigen muss. Denn sie kümmert sich in München um Bestattungen – von Amtes wegen. Was sehr förmlich klingt, hat einen bitteren Hintergrund. Denn immer mehr Menschen in Deutschland sterben völlig vereinsamt, haben weder Familie noch Freunde: „Das betrifft alle Gesellschaftsschichten. Der Großteil der Hinterbliebenen will auch nicht für die Bestattung aufkommen.“ Am Grab der Vergessenen unserer Gesellschaft stehen keine Trauergäste, nicht mal Blumen am Begräbnis sind vorgesehen.
Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer
„Einsamkeit ist ein Phänomen unserer Zeit und die Todesursache Nummer eins in den westlichen Ländern“, sagt der Ulmer Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer. Aus Sicht des Neurowissenschaftlers ist Einsamkeit eine Krankheit mit fatalen Folgen für Körper und Seele, die nicht nur alleinstehende Rentner oder Singles treffen. Denn wer einsam ist, erkranke häufiger als andere an Krebs, Herzinfarkt, Schlaganfall, Depressionen und Demenz, so der Psychiater.