Instagram, Facebook, Tiktok & Co.

Werbung so persönlich: Hören uns Apps auf dem Smartphone ab?

Stand

Von Autor/in Alexander Winkler

Gestern mit Freunden über ein bestimmtes Produkt gesprochen, heute erscheint im Netz oder in einer App passende Werbung dazu: Zufall, Magie oder hört mein Smartphone mich ab?

Viel zu viele Datenmassen, viel zu teuer, dazu noch illegal: Das sind kurz die Gründe, die dagegen sprechen, dass Abermillionen Menschen über ihre Handy-Apps belauscht werden. Trotzdem kennt fast jeder Fälle, die unheimlich sind - wo nach einem Gespräch plötzlich dazu passend ein Angebot, eine Werbung auftaucht, das beiläufig erwähnt wurde.

Abhören ist technisch kein Aufwand

Technisch ist das Abhören per Smartphone grundsätzlich möglich. Wird das Handy zum Beispiel gehackt, kann nicht nur das Mikrofon dafür missbraucht werden.

Zu den Gerüchten nahm auch schon der Facebook-Whatsapp-Mutterkonzern Meta Stellung. Er teilte mit, dass man nur mit Erlaubnis in den Apps des Unternehmens das Mikrofon aktiviert.

Belauschen mich Facebook und WhatsApp? Nein. Weder Facebook noch WhatsApp hören mit. Beide Apps greifen nur dann auf das Mikrofon zu, wenn ein Nutzer dies den Apps vorher ausdrücklich erlaubt hat […].

Abhör-Vorwürfe unter Eid bestritten

2018 haben Tech-Bosse wie Mark Zuckerberg unter Eid in einem Ausschuss des US-Senats die Abhör-Vorwürfe dementiert. Stellt sich diese Aussage als Lüge heraus, drohen den Chefs der Technologie-Konzerne sogar persönlich strafrechtliche Konsequenzen.

Auch deshalb halten Fachleute es für höchst unwahrscheinlich, dass große Werbe-Netzwerke wie Instagram oder Google uns belauschen. Ein „Lauschangriff“ durch Kriminelle oder Sicherheitsbehörden lässt sich jedoch nicht ausschließen. 

Verdacht bleibt - Beweise fehlen

Auch in Deutschland gibt es keinen nachgewiesenen Verdacht, dass die großen Werbenetzwerke uns abhören. Zu diesem Schluss kam zum Beispiel 2019 eine Studie aus Deutschland.

Sie dient auch dem Chaos Computer Club (CCC) Hamburg weiterhin als Basis für seine Einschätzung: Smartphones belauschen uns nicht heimlich zu Werbezwecken.

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DASDING DASDING

Heimlicher Lauschangriff eher unwahrscheinlich

Die Experten der Technischen Universität Berlin (TU Berlin) und des Chaos Computer Clubs (CCC) führen eine Reihe von Gründen an, warum sie einen heimlichen Lauschangriff für unwahrscheinlich halten:

  • Wird das Mikrofon durch eine App benutzt, zeigen die Betriebssysteme das durch „Privacy Indicators“ an. Das ist ein kleiner Punkt am Displayrand (ab Android 12 bzw. iOS 14). Im Hintergrund laufende Aufnahme-Prozesse werden zudem nach kurzer Zeit abgeschaltet.
  • Die reine Datenmenge ungefilterter Audioaufnahmen wäre immens – besonders gemessen daran, dass ein Großteil der Aufnahmen wohl keine verwertbaren Informationen enthält. Die Kosten wären hier deutlich größer als der Nutzen. Bisher konnte auch keine entsprechende Datenübertragung gemessen werden.
  • Ein Filtern und Transkribieren der Aufnahmen zur Verringerung der Datenmenge wäre zwar denkbar. Es müsste sich aber durch eine verringerte Akku-Laufzeit des Handys bemerkbar machen, die bisher nicht beobachtet wurde. Computer-Chips mit künstlicher Intelligenz könnten das vermutlich mit geringem Stromverbrauch leisten. Sie sind in aktuellen Smartphone-Modellen aber noch nicht in großem Stil verbaut. 
  • Der „Lauschangriff“ wäre weder rechtlich noch durch die AGBs und Datenschutzbestimmungen der Apps gedeckt. Das ist sicherlich kein Hinderungsgrund. Gleichwohl schlüsseln Anbieter ihre Nutzungszwecke dort meist sehr detailliert auf - mit dem Wissen, dass viele Nutzende diese juristischen Dokumente sowieso nicht lesen.

Wenn die Apps uns nicht dauerhaft belauschen, woher kommt die passgenaue Werbung dann?

Wir müssen uns immer wieder bewusst machen: Unser Datenfußabdruck ist riesig. Alles, was wir im Netz tun, wird registriert. Jeder Like, jeder Klick auf einen Hashtag, jede Suche bei Instagram, Google und Co. ist ein Puzzleteil in unserem Werbeprofil.

Wer in einer Hotelbuchungs-App nach Urlaub sucht und bei Kleinanzeigen nach Lego, muss sich nicht wundern, wenn bald Werbung für das Legoland kommt. Dazu kommt noch, was unsere Freunde und Familie online tun.

Wenn beispielsweise bei einem Treffen ein Kumpel von Sneakern erzählt, die er gerade online gekauft hat. Und jemand anderes aus der Runde sucht dann selbst nach Sneaker-Angeboten. Dann kriegen wir aufgrund unserer Verbindungen und ähnlichen Interessen womöglich bald Schuhwerbung ausgespielt.

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Studie: Facebook kennt uns besser als Freunde und Familie

Die Werbeplattformen ergänzen dieses Wissen zudem mit allerfeinsten Messungen, wie wir ihre Apps nutzen: Wie viele Sekunden oder Millisekunden schauen wir einen Post, eine Anzeige an, bevor wir weiterscrollen? Da werden also sogar unterbewusste Prozesse getrackt. Möglicherweise ahnt das Netzwerk dadurch meine Interessen schon vor mir selbst.

Schon 2015 ergab eine Studie der US-Elite-Universität Stanford: 10 Likes bei Facebook und die Plattform kann genauer vorhersagen, was uns interessiert als ein Kollege. 150 Likes und Facebook kann das besser als Freunde und Familie.

Bei 300 Likes weiß Facebook es sogar genauer als der Partner oder die Partnerin. Die zugrundeliegende Technik hat sich in den letzten zehn Jahren rasant weiterentwickelt.

Kognitive Verzerrung: Bilden wir uns den Lauschangriff nur ein?

Am Ende kommen viele Medien und Forschende immer wieder zum selben Schluss: Ja, es ist technisch möglich, Menschen heimlich abzuhören und ihnen auf Basis persönlicher Gespräche Werbung anzuzeigen.

Es erfordert jedoch eine gewisse kriminelle Energie. Die haben Tech-Konzerne einerseits gar nicht nötig. Anderseits wären die Konsequenzen wohl schädlicher als der Erkenntnisgewinn des Lauschangriffs.

Trotzdem bleibt bei vielen das Gefühl, Facebook hört uns ab. Eine Erklärung dafür könnten unterschiedliche psychologische Effekte wie die „kognitive Verzerrung“ sein. Das bedeutet, dass wir Dinge oft erst bewusst wahrnehmen, wenn unser Gehirn einen Kontext dazu herstellen kann.

Gut möglich also, dass die Sneaker-Werbung schon länger in unserer Timeline ist. Wir nehmen sie aber erst nach der Unterhaltung mit unseren Freunden wahr.

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Alexander Winkler
SWR-Wirtschaftsredakteur Alexander Winkler
Onlinefassung
Petra Thiele
SWR-Wirtschaftsredakteurin Petra Thiele