Es ist die Kombination aus Online-Shopping und Unterhaltung. Influencer präsentieren Produkte im interaktiven Live-Chat oder man kann die Klamotten aus der Lieblingsserien direkt im Streamingdienst shoppen. Sieht so die Zukunft des Online-Handels aus?
Livestream Shopping: die Zukunft des Online-Handels?
Livestream Shopping - das ist ein neuer Trend im Online-Handel, den immer mehr Unternehmen ausprobieren. Eine Art Teleshopping 2.0. Die Live-Shows werden direkt über die Apps der Unternehmen gestreamt. Influencer und Promis führen die neuesten Produkte vor, während die Zuschauer im Live-Chat Fragen stellen und dort direkt einkaufen können. Unternehmen wie Zalando, dm, Thalia, About You, Otto und Douglas setzen jetzt auf diese interaktive Form des Einkaufens.
Mischform aus Online-Shopping und persönlicher Beratung
Den Startschuss hatte Livestream Shopping in Deutschland schon während der Corona-Pandemie. Als wir keine Chance hatten, persönlich in die Geschäfte zu gehen, um uns beraten zu lassen, wurde die Beratung per Livechat besonders interessant. Vor allem bei jüngeren Zielgruppen kam das Format gut an, es verband Einkaufserlebnis und Unterhaltung – Shoptainment lautet das Zauberwort. Doch nicht nur die Gen Z fühlt sich angesprochen. Mittlerweile ist Livestream Shopping in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Die Simon-Kucher Live-Shopping-Studie 2024 mit 1.011 Teilnehmern belegt, dass Livestream Shopping alle Altersgruppen erreicht. Baby Boomer und Männer sind ebenso häufig vertreten wie jüngere Frauen. 50 Prozent der Live-Shopping-Teilnehmer haben bereits mehrfach an solchen Events teilgenommen. Besonders die Altersgruppe 55+ zeigt sich engagiert: Elf Prozent von ihnen haben bereits mehr als sechs Live-Shopping-Events besucht. Diese Entwicklung überrascht viele, wie Nina Scharwenka, Partnerin bei Simon-Kucher, erklärt: "Kaum jemand hatte Baby Boomer als Zielgruppe für Live-Shopping auf dem Schirm. Doch sie sind da!"
Unterschiede im Nutzungsverhalten
Social Media gilt dabei als beliebteste Plattform. Laut der Studie nehmen 56 Prozent der Befragten an Live-Shopping-Events über Plattformen wie TikTok (49 %) und Instagram (48 %) teil. Ältere Generationen bevorzugen jedoch eher Händler-Websites (35 %) und Streaming-Kanäle (8 %). "Die Präferenzen variieren je nach Altersgruppe", erklärt Scharwenka. Jüngere Teilnehmer sehen Live-Shopping-Events häufig als gemeinschaftliches Erlebnis, während Ältere tendenziell alleine zuschauen.
Auch bei den Produkten gibt es Unterschiede: Während Männer vor allem Elektronik (51 %) und Mode (27 %) kaufen, setzen Frauen auf Mode (40 %) und Kosmetik (21 %). Elektronik und Mode sind insgesamt die gefragtesten Kategorien, gefolgt von Haushaltsartikeln (14 %) und Kosmetik (11 %).
Psychologische Anziehungskraft
Warum zieht Livestream Shopping uns so stark in den Bann? Konsumpsychologin Kathrin Schütz erklärt: "Es ist so nett und so unterhaltsam, dass man ganz nebenbei shoppt. Die Person spricht einen direkt an, man kann interaktiv mitwirken, Fragen stellen und wird namentlich erwähnt. Man wird einfach gesehen." Dazu kommt das Gefühl, exklusive Rabattcodes nur während der Show zu erhalten.
Die Studie von Simon-Kucher zeigt aber klare Motivationsunterschiede zwischen den Geschlechtern: Während Frauen vor allem auf Rabatte hoffen, schätzen Männer das Format, um komplexe, erklärungsbedürftige Produkte wie Elektronik besser zu verstehen.
Authentizität als Erfolgsfaktor
Einige Unternehmen setzen auf einen besonders "unprofessionellen" Look bei seinen Livestreams. Hier sollen sogar Superstars (wie Billie Eilish bei Douglas) so wirken, als wären sie die beste Freundin im Wohnzimmer nebenan. Konsumpsychologin Schütz sagt, genau diese Authentizität sei die Masche: "Das wirkt alles viel persönlicher, nahbarer und weniger wie eine Verkaufsshow."
Die Zukunft des Internet-Shoppens
Alexander Graf, Handelsblogger und E-Commerce Berater, sieht in der Verschmelzung von Shopping und Entertainment einen klaren Handelstrend: "Weniger Amazon, mehr TikTok." Insbesondere im Ausland, wie in China oder den USA, wird TikTok bereits zur Verkaufsplattform. Der sogenannte "TikTok Shop" wächst rasant und kombiniert lustige Clips mit nahtlosem Shopping.
Marken und Händler, die ein Stück vom Kuchen abbekommen möchten, sollten den wachsenden Einfluss dieser Shoppingform erkennen und sich darauf einstellen. Alexander Graf ist der Ansicht, dass sich Händler dem geänderten Nutzerverhalten anpassen müssen, wenn sie die Mischform aus Shopping und Entertainment für sich nutzen wollen.
Dabei haben große Unternehmen nicht unbedingt eine größere Chance, einen Hit zu landen und viral zu gehen. Die Idee für das Video muss einfach stimmen. Vielleicht ist es erfolgreich, wenn es besonders kreativ oder humorvoll ist? Ein Geheimrezept schein es nicht zu geben.
Best Practice im TikTok Shop
In den USA hat sich TikTok als Verkaufsplattform bereits durchgesetzt. Hier gab es schon erste große Erfolge, wie ein davor mehr oder weniger unbekanntes Mundöl, gegen Karies und Parodontose. Es wurde innerhalb weniger Wochen mehr als 1,6 Millionen mal verkauft.
Wann TikTok Shop nach Deutschland kommen wird ist noch unklar, der Start wurde verschoben. Das Unternehmen äußert sich auf Nachfragen dazu nicht. Aktuell gibt es die App-Erweiterung in Europa nur in Großbritannien.
Weitere Spielarten: Shopping in Serien und Filmen
Livestream Shopping könnte nur der Anfang sein. Shopping in Serien und Filmen ist eine weitere Spielart, um Entertainment und Kommerz zu verbinden.
In einem Pilotprojekt von „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ und Zalando konnten Fans der Serie Outfits der Schauspieler nachshoppen. Einfach den Stream anhalten und schon werden einem die Outfits der Schauspieler zum Nachkaufen angeboten.
Shoptainment auf dem Vormarsch
Eines ist klar: Livestream Shopping und neue Formen des "Shoptainment" werden in den nächsten Jahren massiv zunehmen. Laut einer Studie von Shopify sehen 62 Prozent der Händler Social Media bereits als wichtigen Vertriebskanal. Es bleibt spannend, welche innovativen Konzepte den Markt in Zukunft prägen werden.
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