Was heißt gesellschaftlicher Zusammenhalt eigentlich? Was gehört dazu, gerade in einer pluralistischen Gesellschaft wie es die unsere ist? Dieser Fragestellung ist am 26.03.2019 das 16. Medienforum Migration im Funkhaus Stuttgart nachgegangen. Hier für Sie die einzelnen Diskussionen und Vorträge:
Gäste aus Politik, Wissenschaft, Medien und Verbänden gaben den rund 160 Teilnehmenden Einblicke und Informationen zum Thema aus erster Hand. Wie immer war das Medienforum Migration Ort für neue Gedanken und lebhafte Debatten zum Thema Migration. Aufzeichnungen von Vorträgen und Podiumsdiskussionen stehen hier für Sie bereit.
„Zusammenhalten, zusammen Haltung zeigen – Integrationspolitik in bewegten Zeiten“
Staatsministerin Annette Widmann-Mauz, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, rief in ihrem Vortrag dazu auf, Widersprüche auszuhalten, keine Debatten zu scheuen und Spielregeln zu finden, auf die sich alle einigen können. Eine ganz wesentliche Basis ist das Grundgesetz. Außerdem seien der Integrationsmotor Arbeit und das ehrenamtliche Engagement der Bürger wichtige Faktoren für ein gelingendes Miteinander in Vielfalt. Gleiches gelte für das Thema Bildung. „Integration fängt mit der Sprache an, auch um unsere Werte zu verinnerlichen“, so Widmann-Mauz.
„Das Vorurteil steuert die Einbindung“
Prof. Dr. Andreas Zick, Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Uni Bielefeld erforscht die Muster gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Deutschland. „Wenn Vorurteile spalten“- so der Titel seines Vortrags. Anhand seiner Befragungen kommt Andreas Zick zu dem Schluss, dass gemeinsame Perspektiven das Konfliktpotenzial erheblich reduzieren können. Stereotype und Vorurteile seien hingegen die größte Hürde bei der Einbindung zugewanderter Menschen. Die Beobachtung, dass Abwertungen Anderer meist mit „einer Dekonsolidierung der Demokratie“ einhergehen, gibt Anlass zur Sorge.
Podium: Was hält uns zusammen und wie halten wir das fest?
„Wo kommst du her – ich meine ursprünglich?“ ist eine Frage, die Interesse bekunden kann aber genauso Abgrenzung. Den/die andere/n anzunehmen, auch wenn er oder sie vermeintlich nicht dazu gehört, ist für viele eine Herausforderung. Wie gesellschaftlicher Zusammenhalt in einer diversen Gesellschaft aussehen kann, zeigt hingegen Jacinda Ardern, Premierministerin von Neuseeland nach dem rechtsextremistischen Attentat von Christchurch. Wäre dies auch in Deutschland möglich? Darüber diskutierten Staatsministerin Annette Widmann-Mauz, Prof. Andreas Zick, Spiegelkorrespondent Hasnain Kazim, Ine Dippmann vom MDR, SWR-Chefredakteurin Gabi Biesinger und Gökay Sofuoglu, Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland unter der Leitung von Susanne Babila.
Podium: Meine, deine, unsere Geschichte? Erinnerungskultur in der Einwanderungsgesellschaft
Doris Braun, Fachlehrerin für Deutsch und Sozialkunde in Ludwigshafen, Dr. Markus Speidel vom Museum für Alltagskultur in Waldenbuch und Autor und Ausstellungsmacher Dr. Manuel Gogos diskutierten Gründe für die mangelnde Sichtbarkeit der Einwanderungsgeschichte in deutschen Museen und Institutionen. „Geschichte ist immer auch Einwanderungsgeschichte“, hält Gogos fest, und dass für lange Zeit das Bild mit dem ein millionsten Gastarbeiter, der ein Motorrad geschenkt bekam, die gesamte Geschichte der Gastarbeiter nach Deutschland symbolisierte, findet er defizitär. Die Moderation hatte SWR-Redakteurin Natalie Akbari.
Podium: Die Ohnmacht des Faktischen? Das Netz und wir
Alexander Sängerlaub, Projektleiter „Desinformation in der digitalen Öffentlichkeit“ an der Stiftung Neue Verantwortung, Spiegelkorrespondent Hasnain Kazim und Duygu Gezen, Formatentwicklerin bei funk sprachen mit SWR-Redakteurin Sandra Müller darüber wie Information und Desinformation im Netz funktionieren. Gerade in Zeiten sich schnell verbreitender Nachrichten gelte der Satz „be first, but first be right“, so Sängerlaub. Die Frage, wie Fakten und Wissen vermittelt werden kann, muss uns alle beschäftigen.
Podium: Sticheleien, Kränkungen, Hass: Rassismus und Diskriminierung im Alltag
Alexandra Poljak, vom Expertenrat gegen Antisemitismus der Landesregierung Baden-Württemberg, sagte als Jugendliche ungern, dass sie jüdisch ist – die Kommentare der Gleichaltrigen ließen sie verstummen. Dr. Karamba Diaby, Integrationsbeauftragter der SPD-Bundestagsfraktion, fährt ungern nachts allein mit der Bahn, er wurde schon einmal angegriffen. Dr. Maria Alexopoulou bekam als Schülerin eine Empfehlung für die Hauptschule, heute forscht sie in Mannheim. Ali Can, Begründer von MeTwo und Leiter des VielRespektZentrums Essen hofft, mit Begegnungen dem Rassismus etwas entgegenzusetzen. Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz in Rheinland-Pfalz, wird persönlich angefeindet und versucht sich davon nicht irritieren zu lassen. Sie alle diskutierten unter der Moderation von Stephan Lenhardt, SWR, über den Umgang mit Hass und Diskriminierung. Zu Beginn sprachen sie über das Video von André Voigt, in dem er auf emotionale Weise rassistische Äußerungen im Stadion gegen den Fußballspieler Leroy Sané beschreibt.