Alexa nach dem aktuellen Wetter zu fragen oder kurz einen Timer per Sprachbefehl zu stellen, gehört für viele schon zum Alltag. Die Steuerung per Sprache ist nicht nur bequem, sondern bedeutet für Menschen mit körperlichen Einschränkungen auch eine große Erleichterung für ihren Alltag: Mit der bloßen Stimme lassen sich Herausforderungen meistern, die viele der Betroffenen ohne fremde Hilfe nur schwer bewältigen können. Inwieweit Smart Speaker blinde oder sehbehinderte Menschen unterstützen kann, erklären Patrick Plattek, Teil des Teams für Barrierefreiheit in digitalen Medien des Badischen Blinden- und Sehbehindertenvereins (BBSV) und Daniel Mittendorf, Principal Conversational AI bei der Voice-Agentur Beyto.
Vor welchen Problemen stehen Menschen mit Behinderung?
Menschen mit Behinderungen stehen vor zahlreichen Hindernissen, die Menschen ohne Behinderungen oft nicht erkennen. Wie öffne ich ein Fenster oder wie schalte ich das Licht ein, wenn die Standardschalter zu hoch sind? Wie bestelle ich eine Pizza, mit einer App, die nur per Touchscreen gesteuert werden kann? Die Liste der unmöglichen Dinge ist sehr lang und ruft oft ein Gefühl der Abhängigkeit hervor.
In seiner Arbeit für den BBSV schaut sich Plattek vor allem iPhone- und iPad-Apps an und prüft, ob sich diese mit Voiceover, dem Screenreader von Apple nutzen lassen. Mit Sprachassistenten und Smart Speakern erhalten Menschen mit Behinderung ganz neue Möglichkeiten.
So funktionieren Sprachassistenten:
Bei Sprachassistenten handelt es sich um eine Software, die in der Lage ist, Sprachbefehle zu verarbeiten. Während einige von ihnen in Apps, im Smartphone oder im Computer integriert sind, handelt es sich bei den Produkten von Amazon und Google um sogenannte Smart Speaker, also intelligente Lautsprecher.
Da die Spracherkennungstechnologie das gesprochene Wort als Steuerung verwendet, kann sie besonders für Personen, die Probleme mit der Beweglichkeit ihrer Extremitäten oder dem Sehvermögen haben, von Nutzen sein. Darüber hinaus kann Spracherkennungstechnologie auch Personen mit Sprach- und Hörbehinderungen sowie älteren Menschen helfen.
Sprachassistenten als Alltagshelfer
„Es gibt viele Bereiche, in denen Sprachassistenten blinde oder sehbehinderte Menschen unterstützen können”, erzählt Plattek. „Sowohl im geschäftlichen als auch im privaten Bereich können Erinnerungen erstellt, Musik, Radio und Hörbücher gehört und einfache Wissensfragen gestellt werden”, ergänzt er. Außerdem können Smart Speaker dazu beitragen, die Umwelt barrierefreier zu gestalten, indem sie beispielsweise ermöglichen, eine Zugverbindung zu suchen oder ein Taxi zu bestellen.
Auch das Thema Smart Home spiele eine wichtige Rolle, da es bereits einige Heizthermostate, Wetterstationen und Lampen gebe, die für Blinde und Sehbehinderte über Smart Home steuerbar sind. Plattek erzählt, dass es an diesem Punkt allerdings noch Verbesserungsbedarf gebe: „Vor allem Haushaltsgeräte wie Kaffeemaschinen, Backöfen, Herde oder Geschirrspüler sind aktuell nur schwer barrierefrei zu nutzen. Hier kann die Spracherkennung beispielsweise im Zusammenspiel mit einer App-Steuerung eine Rolle spielen. Genauso wichtig ist auch, dass besagte Geräte nicht nur über eine App, sondern auch am Gerät selbst bedienbar sind.
Daniel Mittendorf Alexa Champion, ergänzt, dass Sprachassistenten auch dabei unterstützen können, den Alltag zu strukturieren. Wichtig sei auch das Thema Kommunikation: „Sprachassistenten können es Menschen mit Behinderungen deutlich erleichtern mit ihrer Familie und Freunden in Kontakt zu bleiben, indem mit kurzen Sprachbefehlen Anrufe getätigt oder Textnachrichten und E-Mails versendet werden können.”
Alexa für Alle
Mit der Initiative "Alexa für Alle" will Amazon sein Engagement für Menschen mit Einschränkungen verstärken und die Sprachsteuerung gemeinsam mit Partnern und Nutzer:innen kontinuierlich weiter verbessern. Dafür arbeitet das Unternehmen bereits mit verschiedenen Organisationen und Institutionen zusammen, wie dem Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV), der IFB Stiftung, der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V., dem Deutschen Roten Kreuz (DRK), ARD, ZDF und ARTE, ProSieben, SAT.1, der Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz sowie dem Fraunhofer Institut IESE. Außerdem tauscht sich Amazon mit Kund:innen aus, um deren spezifische Anforderungen in die Entwicklung der Sprachtechnologie einzubringen.
Unter anderem ist aus dieser Initiative auch der Skill HÖRFILM entstanden, an dessen Entwicklung Mittendorf beteiligt war. Der Skill ermöglicht es Hörfilme auf Alexa-Geräten abzuspielen. Dabei handelt es sich um Filme, die mit einer akustischen Bildbeschreibung, der Audiodeskription (AD) versehen sind und Menschen mit Seheinschränkungen ein inklusives Filmerlebnis ermöglichen.
Laut Mittendorf seien so gut wie alle Skills für Smart Speaker auch für Sehbehinderte Menschen geeignet. Auch Geräte mit Bildschirmen stellen in der Regel kein Problem dar, da dieser nur zur Unterstützung der Inhalte diene.
Sprachassistenten als Hilfsmittel für Menschen mit Behinderungen
Sprachassistenten wie Amazon Alexa und Google Home können Menschen mit Behinderungen somit im Alltag unterstützen und eröffnen Chancen, das Alltagsleben zu vereinfachen, selbstbestimmt und sicher zu leben sowie sozial teilzuhaben. Lediglich an der Spracherkennung muss noch gearbeitet werden, um auch Menschen die Benutzung zu ermöglichen, die eine Sprachbehinderung haben.
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