Das Schriftliche hat gegenüber dem Mündlichen einen höheren Stellenwert, sagt man. Oder: Latein fördert das logische Denken. Viele Mythen ranken sich um die Sprache. Der Anglist Dr. Werner Schäfer geht ihnen nach.
Die Schule prägt das Sprach-Verständnis
Wenn wir in die Schule kommen, tritt uns die Sprache als Gegenstand des Lernens gegenüber. Dabei stehen zwei Dinge hoch im Kurs: Regeln und Schrift.
Wir erlernen den schriftlichen Code und erleben, dass Dinge als "richtig" oder "falsch" eingeordnet werden, eine ganz andere Erfahrung als bis dahin, wo wir Sprache als Mittel der Kommunikation erlebt haben.
Diese Erfahrung in der Schule ist prägend für unsere Einstellung gegenüber der Sprache. Wir messen Sprache nach den Kriterien, die die Schule vermittelt, nicht nach denen, die das Leben vermittelt.
Die Aufgabe der Schrift-Sprache
Oft wird der Schriftsprache ein höherer Rang zugesprochen als der mündlichen Sprache. Sie sei eine unvollständige, fehlerhafte, minderwertige Fassung der Schriftsprache.
Dazu eine Anekdote: Eine ältere Dame hält den ersten "Brief" in der Hand, den ihre Enkelin ihr geschrieben hat. Das Ergebnis: ein verständlicher, aber von den Regeln der deutschen Orthografie abweichender Text.
Das Kind ist im Vorschulalter und hat sich ohne Anleitung das Schreiben selbst beigebracht. Weil der Text von den Regeln der deutschen Orthografie abweicht, tadelt die Oma ihre Enkelin. Doch die Oma verwechselt da etwas.
Es ist natürlich nicht die Aufgabe der Sprecher, sich buchstäblich – im wahrsten Sinne des Wortes – nach der Schrift zu richten.
Wenn das Kind das Wort verstehen ohne <r> und ohne <h> schreibt, dann reflektiert diese Schreibweise die Aussprache des Wortes ganz korrekt. Sogar "besser" als die amtliche Schreibung.
Wörter entstehen nicht im Wörterbuch
Die Vorstellung, dass richtige Wörter nur solche sind, die im Wörterbuch stehen, ist abwegig. Alle Wörter beginnen ihr Leben außerhalb des Wörterbuchs.
Es gibt keine Wörter, die zunächst im Wörterbuch stehen und dann in die Sprache gelangen. Es ist umgekehrt.
Die logischen Sprachen
Das Lateinische hat, und das ist das Entscheidende, kein Alleinstellungsmerkmal.
Auch in morphologisch einfacheren Sprachen wie dem Englischen müssen "logische" Bezüge hergestellt werden, müssen die Beziehungen zwischen Satzgliedern verstanden werden. Sonst ist keine Sprachproduktion und keine Sprachverarbeitung möglich.
Und ist es nicht merkwürdig? Für das Russische, das dem Lateinischen in seiner Struktur bemerkenswert ähnlich ist, wird nie mit dem Argument geworben, es fördere das logische Denken.
Wort der Woche
Wort der Woche „Ich bin fein damit" - erklärt von Bernhard Pörksen
Wie selbstverständlich schleichen sich immer öfter Anglizismen geschmeidig in unsere Sprache ein, Wörter wie „cool" oder „Cookies" gehören schon zu unserem Alltagsgebrauch. Aber es kommt auch vor, dass englische Wörter eingedeutscht werden. „Ich bin fein damit" ist solch ein Beispiel aus der Jugendsprache, das auch in der People-Presse und auf Social-Media zu finden ist. Und das sich durch den Einzug in den allgemeinen Sprachgebrauch bereits wieder aus der Jugendsprache zurückzuziehen scheint.
Eigentlich ist das englische „I'm fine with that“, auf das die deutsche Formulierung wohl anspielt, nicht korrekt übersetzt. „Ich bin einverstanden“ müsste man vielmehr sagen. Und dennoch weiß man sofort: „Ich bin fein damit" ist der sprachlich etwas ungelenke Ausdruck der Zustimmung oder Übereinstimmung. Der Medienwissenschaftler Prof. Bernhard Pörksen sieht in der Dominanz des Englischen einen unglaublichen Motor der sprachlichen Transformation.
Wort der Woche Mikrojob – erklärt von Annette Klosa-Kückelhaus
Wer sich ein Zubrot bis 538 Euro verdienen möchte, kann mit einen Minijob annehmen. Für diese gering entlohnte Beschäftigung muss nach deutschem Recht kein Arbeitslosen-, Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsbeitrag bezahlt werden. Beim Midijob hingegen müssen Beiträge abgeführt werden und der Verdienst darf zwischen 538 bis 2000 Euro liegen. Ob Mini- oder Midijob, beides ist nicht zu verwechseln mit dem Mikrojob. Wo dieser Begriff herkommt und was es damit auf sich hat, das erläutert Annette Klosa-Kückelhaus vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim.
Wort der Woche Chuzpe - erklärt von Sandra Richter
Wenn wir jemandem Dreistigkeit vorwerfen, dann ist die Sache eigentlich klar: das meinen wir eindeutig kritisch. Anders kann es sich verhalten, wenn wir jemandem Chuzpe zuschreiben. Da können nämlich Ehrfurcht und Respekt mitschwingen – vielleicht auch ein Schmunzeln. Denn die vorgebrachte Frechheit besitzt durchaus Charme. Prof. Sandra Richter, Direktorin des Deutschen Literaturarchivs in Marbach, outet sich im Gespräch als große Anhängerin des Wortes Chuzpe, das aus dem Hebräischen (Chuzpa), aber auch aus dem Jiddischen (Chuzpe) stammt.
Bildung
Arbeitswelt Machtmissbrauch an Hochschulen – Wie sich Strukturen ändern müssen
Viele Fälle von Mobbing, Belästigung, Demütigung oder Plagiaten wurden in den vergangenen Monaten öffentlich gemacht. Um das Problem zu lösen, muss sich etwas an den Strukturen an Hochschulen ändern. Von Janine Funke (SWR 2024) | Manuskript und mehr zur Sendung: http://swr.li/machtmissbrauch-hochschulen | Bei Fragen und Anregungen schreibt uns: daswissen@swr.de | Folgt uns auf Mastodon: https://ard.social/@DasWissen
Diskussion Jugendliche und Social Media – Wie sinnvoll sind Altersgrenzen?
Es ist ein einmaliges Gesetz, das weltweit für Diskussionen sorgt: Die australische Regierung verbietet jungen Menschen unter 16 Jahren die Nutzung von X, TikTok, Facebook, Snapchat, Reddit und Instagram. Damit möchte sie Kinder vor Mobbing, Missbrauch und Gewaltvideos schützen. Eine Mehrheit der Deutschen befürwortet auch hierzulande ein solches Gesetz. Kritiker sehen darin einen Angriff auf die Meinungsfreiheit und bezweifeln die Durchsetzbarkeit. Geht es um Schutz oder Bevormundung? Was macht TikTok und Co gefährlich für Teenager, und wie kann man sie schützen? Norbert Lang diskutiert mit Thorsten Krause – Stiftung Digitale Chancen; Silke Müller – Schulleiterin und Digitalbotschafterin Niedersachsens; Prof. Dr. Christian Montag – Psychologe, Uni Ulm
Bildung Digitalpakt 2.0 – wie Deutschlands Schulen digital fit gemacht werden sollen
Um die IT-Infrastruktur an deutschen Schulen ist es schlecht bestellt. Der "Digitalpakt" soll das ändern. Doch mit dem Ampel-Aus war unklar, wie es weitergeht. Nun haben sich Bund und Länder geeinigt.
Christine Langer im Gespräch mit Anja Braun, SWR-Wissenschaftsredaktion