4.2.1979

Alfred Andersch – Pionier des Kultur- und Nachtradios und Gründer des Radio-Essays

Stand
Autor/in
SWR2 Archivradio
Moderator/in
Gábor Paál
Gábor Paál

Besatzungsmächte verordneten Kultur im Radio

In der Nachkriegszeit hatten die deutschen Radiosender jeweils nur ein Programm, und das endete spätestens um Mitternacht. Die Besatzungsmächte verordneten 1948, also schon vor Gründung der Bundesrepublik, den Sendern für die letzten Abendstunden ein gehobenes Programm. Für eigenständige Kulturwellen im deutschen Radio war zwar noch zu früh, aber wenigstens am Abend sollte es geistige Seelennahrung geben.

Schriftsteller Alfred Andersch lädt prominente Kollegen in Studio ein

Dafür wurde unter anderem der Schriftsteller Alfred Andersch (1914 - 1980) in die Sender geholt. Der, wie er erzählt, dort machen konnte, was er wollte. Er bereicherte das Programm, indem er von Theodor Adorno bis Wolfgang Koeppen die damalige Kulturprominenz in die Studios einlud. Und er erfand das Genre des Radio-Essays – heute: SWR2 Essay.

Vorbild BBC

Wenn er im folgenden Interview sagt, er habe überall "dritte Programme" gegründet, meint er damit nicht eigenständige Radioprogramme, sondern Sendungen, die vom Anspruch her dem dritten Programm der BBC, also dem britischen Kulturprogramm, entsprachen. Die Sendungen von Alfred Andersch liefen bis Mitternacht, wurden aber damals als Nachtprogramme bezeichnet.

Hier ein Ausschnitt aus der Sendereihe "Zeitgenossen" vom 4. Februar 1979. Alfred Andersch erzählt im Gespräch mit Paul Assall und Klaus Figge von seinen Zeiten als Rundfunkredakteur.

Vorläufer der Kulturprogramme und der ARD-Nachtprogramme

Die von Alfred Andersch und seinen Kollegen verantworteten Sendungen endeten in der Regel um Mitternacht. Sie waren somit Vorläufer sowohl der Kulturprogramme, die ab 1950 eingeführt wurden, als auch der ARD-Nachtprogramme, die in der Bundesrepublik 1959 starteten.

August 1914 Auf der Banke an der Panke (Lied)

August 1914 | Abschied eines Weltkriegsteilnehmers von 1914: "Musikalischer Dialog" eines Soldaten mit seiner Freundin. Er glaubt, in Kürze wieder zurück zu sein, weil der Deutsche den anderen Soldaten überlegen ist.

4.5.1918 Psychologie-Pionier Wilhelm Wundt über das Verhältnis von Philosophie und Wissenschaft

4.5.1918 | Wilhelm Wundt hat im 19. Jahrhundert die Psychologie zu einer eigenständigen Wissenschaft gemacht. Er befasste sich mit Phänomenen der Wahrnehmung und der Aufmerksamkeit. Sein Ansatz war zu versuchen, einen Zusammenhang herzustellen zwischen physiologischen und psychologischen Vorgängen – also: Was passiert im Körper, wenn wir etwas Bestimmtes erleben? Seine umfassendste Arbeit aber war ein zehnbändiges Werk über Völkerpsychologie. Der Titel klingt heute irreführend, denn es ging ihm weniger darum, einzelnen Völkern eine bestimmte Psychologie zuzuschreiben als vielmehr um etwas, was man besser als Kulturpsychologie bezeichnen könnte, also zu fragen: Wie entsteht so etwas wie Kultur? Welche Rolle spielen Sprache, gemeinschaftliche Erfahrungen oder Mythen dabei? Die Psychologie war für Wilhelm Wundt das Paradebeispiel eines Fachs, in dem Philosophie und Wissenschaft zusammenwirken. Genau davon handelt auch ein Vortrag, den er in seiner akademischen Antrittsrede am 31.10.1874 in Zürich gehalten hat. Mehr als 40 Jahre später, im Mai 1918 hat Wilhelm Wundt die Schlussworte seines Vortrags auf Veranlassung des Sprachwissenschaftlers Wilhelm Doegen noch einmal aufgenommen. Darin betont er, dass philosophische Erkenntnisse langfristig nur Bestand haben, wenn sie sich auf Wissenschaft stützen. Die Philosophie sei es, die die einzelnen Quellen der Wissenschaft zu einem großen Strom zusammenführe.
"Die Systeme der Philosophie sind, soweit sie eine bleibende Bedeutung gewonnen haben, nicht müßige Ideenverbindungen einzelner Fälle. Wohl aber sucht die Philiosophie die einzelnen Quellen, die in den Gebieten des Beckens fließen, zu einem Strom zu vereinigen, an dem man nicht den Verlauf der einzelnen Quellen zwar, wohl aber die gesamte Richtung erkennen kann, die sie alle zusammengenommen haben. Darum ist die Geschichte der Philosophie die notwendige Stellvertreterin einer allgemeinen Geschichte der Wissenschaft.
Das Bewußtsein dieser Zusammengehörigkeit von Philosophie und Wissenschaften ist der jüngst vergangenen Zeit abhandengekommen. Den Einzelgebieten gebührt dafür der geringere Vorwurf, denn Sache der Philosophie ist es, die guten Beziehungen zwischen beiden - zwischen Philosophie und Wissenschaft - aufrechtzuerhalten, indem sie den Einzelgebieten entnimmt, was sie bedarf, die Grundlage der Erfahrung, und indem sie ihnen gibt, was für sie nicht minder notwendig ist: die Erkenntnis des allgemeinen Zusammenhangs unseres Glücks." | Mehr: http://swr.li/wundt-philosophie-wissenschaft

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