Er ist einer der international bekanntesten lebenden Komponisten. Nun erhält Sir Karl Jenkins den Preis der Europäischen Kirchenmusik 2024. Die Stadt Schwäbisch Gmünd ehrt ihn für sein kompositorisches Schaffen, das Genregrenzen überschreitet und Menschen weltweit erreicht. Am 17. Juli wird Jenkins im Rahmen des 36. Festivals Europäische Kirchenmusik verliehen.
Komponist des Glaubens und der Hoffnung
Ein Jahrtausend voller Frieden und Zuversicht - diese Hoffnung hatte Karl Jenkins, als er 1998 „The Armed Men, a Mass for Peace“ komponiert. Uraufgeführt im Jahr 2000, gewidmet den Opfern des Kosovokrieges. Seitdem hat sich das Werk zu einem der meistgespielten eines zeitgenössischen Komponisten entwickelt: mehr als 3.000 Aufführungen gab es bislang weltweit.
Jenkins verarbeitet Textquellen verschiedener Religionen und Kulturen. Erinnerungen an Krieg und Leid gerade an die junge Generation weiterzugeben, ist ihm ein wichtiges Anliegen. „Viele Texte, die ich in meinen Werken verwende, stammen aus unterschiedlichen Glaubensrichtungen“, erklärt der Komponist, „hauptsächlich der christliche Glaube, wie eben die meisten europäischen Komponisten. (...) Aber ich nehme auch Texte aus anderen Kulturen und anderen Religionen.“
Waliser und Weltbürger
Karl Jenkins wird 1944 in einem Dorf in der Nähe von Swansea in Wales geboren. Den schwedischen Wurzeln seiner Mutter verdankt er den Vornamen Karl, seinem Vater, einem Musiklehrer, die musikalische Bildung. Früh lernt Jenkins, Klavier zu spielen, später kommen Oboe und Saxophon hinzu. Als Teenager entdeckt er dann seine Liebe zum Jazz.
Jenkins studiert ab 1966 Musik zunächst in Cardiff, dann in London an der Royal Academy of Music. Tagsüber lernt er, abends tritt er im renommierten Jazzclub von Ronny Scott auf, mittendrin in den Swinging Sixties.
Seine musikalischen Vorbilder seien aber vor allem die großen deutschen Komponisten, so Jenkins: Bach, Brahms, Mahler, Strauss, Wagner. Und natürlich die Jazzlegende Miles Davis. Und mindestens ebenso sind die musikalischen Kulturen aus aller Welt, die sich damals in der britischen Hauptstadt trafen und mischten. Ein Einfluss, von dem Jenkins bis heute zehrt. Er versucht, allen und allem gegenüber offen zu sein, fühle sich als Waliser und Brite, aber ebenso als Europäer und Weltbürger.
„Adiemus“ macht ihn zum Klassik-Star
Jenkins ist zunächst Teil der Gruppe „Nucleus“, die eine Mischung aus Jazz und Rock spielt und 1970 den ersten Preis beim Jazzfestival in Montreux gewinnt. Wenig später schließt er sich dann der Progressive-Rock-Band „Soft Machine“ an.
Dann kommt der Bruch: In den 1980er-Jahren beginnt Karl Jenkins, Musik für Werbefilme zu komponieren. Für einen Werbespot von Delta Airlines entsteht damals seine bis heute wohl bekannteste Komposition. Das daraus entstandene Album „Adiemus“ verkauft sich weltweit mehr als 2 Millionen Mal und liegt 1995 an der Spitze der Klassik-Charts.
Einige seiner Werbemelodien haben sich in das musikalische Gedächtnis ganzer Generationen eingebrannt, darunter sein „Concerto grosso“.
Zwischen Werbe-Jingles und vertonten Friedensstiftern
Von der Klassikwelt wird er damals belächelt, ebenso von seinem Umfeld aus Jazz und Rock. Kein Genre scheint so richtig zu seinem Kompositionsstil zu passen. Doch die Zeit in der Werbeindustrie schenkt Jenkins Musik nicht nur Bekanntheit, sondern bildet ihn auch zu einem vielseitigen Musiker aus.
„Von einem Werbespot zum nächsten konnte ich zu allem herangezogen werden“, erinnert sich Jenkins, „ich habe auf diese Weise viel über verschiedene Instrumente gelernt. Und in London, dieser riesigen kosmopolitischen Stadt, gab es immer jemanden, der auch ausgefallene Instrumente spielen konnte.“
Später werden Jenkins Werke dann wieder politischer. In seinem Oratorium „The Peace Makers“ aus dem Jahr 2012 vertont er Texte von Gandhi, Martin Luther King, Nelson Mandela, Anne Frank, Mutter Teresa und dem Dalai Lama.
„One World“ ist eine Komposition für den Weltfrieden
Letztes Jahr, kurz vor seinem 80. Geburtstag, wurde sein neustes Oratorium uraufgeführt. Es scheint alle seiner bisherigen Wünsche und Hoffnungen auf Frieden und Einigkeit zu übertreffen. Eine Auftragskomposition des World Orchestra for Peace und des World Choir for Peace.
„One World“ ist der Titel dieses aufwändigen Werkes. Jenkins widmet es der UNESCO für 75 Jahre Einsatz für Dialog, Frieden und Versöhnung. Bei der Uraufführung im Brucknerhaus Linz nehmen 350 Musikerinnen und Musiker vor Ort auf der Bühne teil. Weitere Sängerinnen und Sänger aus 40 Ländern werden virtuell zugeschaltet.
Jenkins bleibt bei seinem hehren Ziel nach Weltfrieden nicht stehen. „One World“ kündet deswegen von einem bewohnbaren Planeten und thematisiert Kriege und Machtmissbrauch ebenso wie Klimawandel und Missachtung grundlegender Menschenrechte.
Der Titel eines Satzes aus „One World“ bringt auf den Punkt, worum es Karl Jenkins seit Jahrzehnten wirklich geht: „Tikkun Olam“, hebräisch für „Repariere die Welt“.
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