Er ist ausgebildeter Pianist und Dirigent – und einer der Großen seines Fachs: der französische Countertenor Philippe Jaroussky. Einer, der alles kann, Oper und Oratorium, alte und neue Musik. Jetzt hat Jaroussky zum ersten Mal Lieder von Franz Schubert aufgenommen. Ein Wagnis, das sich leider nicht auszahlt.
Düsterer Herbst
So viel Herbst kann wohl nur Franz Schubert komponieren. Der Countertenor Philippe Jaroussky und der Pianist Jérôme Ducros bieten mit „Herbst“ ein düsteres Schubert-Lied nach Ludwig Rellstab. Alles welkt, sinkt dahin, vergeht, die Natur, die Liebe, das Leben.
Beim Hören fragt man sich: Kennen die beiden Interpreten solches Weh- und Weltenklagen – oder genügen ihnen die Sechzehntel-Winde im Klavier und das dräuende Moll?
Farblos und wächsern und ein Mühen um korrekte Aussprache
Jaroussky ist ein Star der Alten Musik, man schätzt ihn als stilsicheren Opern- und Oratoriensänger. Es ist nicht das erste Mal, dass er sich nun Liedern zuwendet – und es ist nicht das erste Mal, dass er auf Deutsch singt.
Beides ist leider noch keine Gewähr dafür, dass das bei Schubert klappt. Jarousskys Countertenor klingt auf diesem Album seltsam farblos, wächsern, als fände er seinen stimmlichen Fokus nicht. Beim längeren Hören macht einen das fast schwindelig. Und so sehr der Franzose sich um die korrekte Aussprache bemüht, so sehr merkt man ihm dieses Bemühen an. Besonders bei den schnelleren Liedern, im „Musensohn“ zum Beispiel.
Sieben Strophen ohne Entwicklung
Es ist sicher unfair, einem Nicht-Muttersprachler im Deutschen aspirierte Vokale oder falsche Silbenlängen vorzuwerfen – bei Schubert aber kann das stören. Es stört, weil es musikalisch auf diesem Album wenig gibt, das aufhorchen lässt.
Jérôme Ducros, der Pianist, spielt solide, setzt aber kaum eigene Impulse. Und Jaroussky vertut die Chance, die in seiner Stimmlage und seinem Timbre liegt – die Chance, Schubert aus der Identifikationsfalle zu befreien, ihn zu objektivieren, gerade was das Rollenspiel der Geschlechter angeht. In „Des Fischers Liebesglück“ blitzt das ein bisschen auf.
Ganz schön und ganz innig klingt die Atmosphäre hier. Nur leider klingen alle sieben Strophen gleich. Es gibt keine Entwicklung, keine Verdichtung oder Steigerung. Als kennten Jaroussky und Ducros nur einen Schubert-Ton – und der ist elegisch.
Allem in allem leider enttäuschend
Philippe Jaroussky ist jetzt 46 Jahre alt. Kein Alter für einen Sänger. Oder für einen Counter vielleicht doch? Es scheint, es fehle ihm die Leichtigkeit, die er früher hatte, in der Höhe muss er öfter neu ansetzen, längere Bögen machen ihm Mühe.
Zwei bis drei Sterne für dieses Album. Drei, weil es Mut braucht, um sich an so viele so bekannte Schubert-Lieder zu wagen; und zwei, weil Mut leider nicht alles ist.
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