"Somewhere! - Irgendwo auf der Welt gibt es einen Ort, an dem wir uns lieben dürfen" – das schmachtende Liebesduett von Tony und Maria aus der West Side Story zählt zu den großen Momenten der Musical-Geschichte. (Das Hauptmotiv stammt übrigens aus Beethovens fünftem Klavierkonzert.) In einer Instrumentalversion bildet es das Herzstück unseres Musikstücks der Woche. Hermann Bäumer leitet das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR; das Konzert war am 21.6.2013 in der Stuttgarter Liederhalle.
"Ich schlafe kaum; ich arbeite jede – buchstäblich jede – Sekunde (zumal ich vier Dinge gleichzeitig tue: komponieren, Gesangstexte schreiben, orchestrieren und das Ensemble einstudieren). Es ist Mord, aber ich bin begeistert. Es wird vielleicht etwas Außergewöhnliches", schreibt Leonard Bernstein an seine Frau Felicia- am 8. August 1957, mitten im Endspurt zur Premiere der West Side Story. Und ein paar Tage später: "Gestern den ganzen Tag Orchesterprobe – sensationell. Wir haben überraschend gute Leute, die dieses schwierige Zeug wirklich spielen können (mit ein paar Ausnahmen) – und die Orchestrierung ist phantastisch geworden. Ich sage Dir, diese Show wird dieses Martyrium vielleicht doch noch wert sein."
Hai tötet Düsenjäger
Sie war es wert! Die Westside-Story wurde ein sensationeller Erfolg. Publikum und Presse waren begeistert von Bernsteins Musik, von der großartigen Leistung der Darsteller, die in diesem Musical gut schauspielern, singen und tanzen können müssen und von der ergreifenden Handlung. Die übersetzt Shakespeares "Romeo und Julia" ins New York der 50-er Jahre. Statt eines alten Familienzwists steckt der Sprengstoff der Handlung in der Rivalität zweier Jugend-Gangs: Die amerikanischen Jets (Düsenjäger) kämpfen gegen die Sharks (Haifische), Einwanderer aus Puerto Rico, die damals in Massen nach New York kamen. Beide Gangs leben in den Slums der New Yorker Westside und betrachten die Gegend als ihr Revier. Wie immer auf Opern- und Musicalbühnen, entwickelt sich eine Liebesgeschichte, die eigentlich keine Chance hat: der Amerikaner Tony und die Puertoricanerin Maria (die Schwester des Banden-Chefs) verlieben sich auf den ersten Blick, treffen sich heimlich, träumen von einem gemeinsamen Leben und verzweifeln fast an der Ausweglosigkeit ihrer unmöglichen Liebe. Im Kampf der beiden Gangs fließt viel Blut, Tony tötet im Affekt Marias Bruder und nach einer Verkettung von Notlügen und unglücklichen Umständen stirbt Tony schließlich in den Armen Marias. Betreten schließen die Feinde Frieden.
West Side Story goes East
Nach der Premiere am 19. August 1957 (übrigens nicht am Broadway, sondern in Washington), eroberte sich die Westside-Story rasant die Musical-Bühnen. Das Ensemble tourte damit durch Amerika und spielte über 700 Vorstellungen, etwa weitere 250 folgten am New Yorker Winter Garden. Her Majesty’s Theatre in London übernahm die Inszenierung und brauchte es auf über 1000 Aufführungen. Die Verfilmung aus dem Jahr 1961 wurde ein Welterfolg. Ein Theaterlexikon unserer Tage schreibt: "In unserer von Gewalt, Vorurteilen und Rassismus bestimmten Welt behält West Side Story nicht nur den Wert exzellenten unterhaltenden Musiktheaters, sondern auch aktuelle Gültigkeit." Einige der Tänze und Gesangsnummern bearbeitete Bernstein alsbald für Sinfonieorchester – drei davon sind unser Musikstück der Woche.
Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR
Das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR spielt jährlich rund 90 Konzerte im Sendegebiet des Südwestrundfunks, in den nationalen und internationalen Musikzentren und bei bedeutenden Musikfestspielen. Das Orchester pflegt das klassisch-romantische Repertoire in exemplarischen Interpretationen und setzt sich mit Nachdruck für zeitgenössische Musik und selten aufgeführte Komponisten und Werke ein. Bis heute hat es mehr als 500 Werke uraufgeführt.
Viele namhafte Dirigentenpersönlichkeiten haben das RSO in den letzten 60 Jahren geprägt, unter Ihnen Sergiu Celibidache, Carl Schuricht, Sir Georg Solti, Giuseppe Sinopoli, Carlos Kleiber, Sir Neville Marriner, Georges Prêtre und Herbert Blomstedt. Ebenso konzertieren regelmäßig hochkarätige Solisten aller Generationen beim RSO.
Zur Saison 2011/2012 trat der Franzose Stéphane Denève seine Stelle als Chefdirigent beim Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR an und löste damit Sir Roger Norrington ab, der dem Orchester seit 1998 als Chefdirigent vorstand.