Sein Opus 16 schrieb der junge Klaviervirtuose Ludwig van Beethoven sich selbst 'auf den Leib', und dabei war es ihm einerlei, ob ihn 3 oder 4 Kammermusikpartner begleiteten.
Dieses Klavier-Bläser-Quintett spielten die vier Musiker des Tammuz Klavierquartetts in der Klavier-Streicher-Fassung am 22.3.2009 bei ihrem Konzert im Kammermusiksaal des Bruchsaler Schlosses.
Die Lust an der Improvisation
Im Zusammenhang mit Ludwig van Beethovens Quintett op. 16 gibt es einen ebenso interessanten wie amüsanten Bericht einer Aufführung mit Beethoven am Klavier durch Ferdinand Ries: „Im letzten Allegro ist einige Mal ein Halt ehe das Thema wieder anfängt; bei einem derselben fing Beethoven auf einmal an zu phantasiren, nahm das Rondo als Thema und unterhielt sich und die andern eine geraume Zeit, was jedoch bei den Begleitenden nicht der Fall war. Diese waren ungehalten und Herr Ramm sogar sehr aufgebracht. Wirklich sah es posirlich aus, wenn diese Herren, die jeden Augenblick warteten, dass wieder angefangen werde, die Instrumente unaufhörlich an den Mund setzten und dann ganz ruhig wieder abnahmen. Endlich war Beethoven befriedigt und fiel wieder in’s Rondo ein. Die ganze Gesellschaft war entzückt.“ Zwei Dinge fallen bei diesem Zeitzeugenbericht auf: erstens, dass Beethoven nicht nur mit großem Vergnügen frei improvisierte, sondern offenbar das Werk auch als eine Demonstration seines pianistischen Könnens verstand, und zweitens, dass das Quintett op. 16 zunächst durch Bläser begleitet war.
Als Quintett für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott schrieb Beethoven das Werk für seine eigenen Wiener Konzerte im Jahr 1796. Erst 1810 erschien die eigenhändige Bearbeitung dieses Werks, das in dieser Form weit berühmter wurde, als in seiner Originalbesetzung. Überhaupt scheint das Werk geradezu ideal für Bearbeitungen zu sein, immerhin gibt es auch eine für Streichquartett, eine für Streichquintett, eine für zwei Klaviere von Joseph Czerny, sowie eine für Klavier zu vier Händen.
Die Bedeutung des Klaviers scheint sich im Laufe des Quintetts von Satz zu Satz zu steigern, das Übergewicht des Klavierparts ist unüberhörbar. Immer wieder löst sich das Klavier zu solistischen Passagen von den übrigen Instrumenten, so gleich zu Beginn des Kopfsatzes. Mit seinem großzügig-konzertanten Zuschnitt erfüllt dieser Satz auch Beethovens Absicht, sich selbstbewusst dem Konzertpublikum der Wiener Gesellschaft zu präsentieren. Den zweiten Satz bestimmt eine im Wesentlichen vom Klavier getragene Gesangsmelodie, die als schwärmerischer Tonfall von den Streichern übernommen wird und in wogenden, vom Klavier dominierten Passagen gipfelt. Das Finale ist jenes Rondo, über dessen Aufführung Ries berichtete; brilliant ist hier der Klavierpart, die anderen Mitspieler tragen aber auch zum Wechselspiel der Motive und Themen bei.
Tammuz Klavierquartett
Tammuz war im babylonisch-assyrischen Mythenkreis der Geliebte der Liebesgöttin Ischtar. Ähnlich dem Adonis im griechisch-römischen Sagenkreis steht er als Symbol für die Liebe, im Falle des Tammuz Klavierquartetts für die Liebe zu einer ebenso reizvollen wie vernachlässigten Musikgattung. Die ersten Klavierquartette schrieb Wolfgang Amadeus Mozart, und sein Verleger behauptete, sie seien schlecht verkäuflich. Mit der Realität in den Musiksalons in nahezu allen Städten Deutschlands aber hatte das wenig zu tun, denn hier zählten Klavierquartette zu den beliebtesten und meistgespielten. Nach Mozart nahmen sich Weber, Mendelssohn, Schumann, Brahms, Dvořák, Strauss und Fauré - um nur die berühmtesten zu nennen - dieser Gattung an. Eigentlich ist es erstaunlich, dass diese Werke im Konzertbetrieb bis heute nicht die gebührende Beachtung geschenkt bekommen. Die vier sehr erfahrenen Kammermusiker des Tammuz Klavierquartetts traten 2007 an, die Situation zu ändern, indem sie sich speziell dieser Gattung widmen. Tatsächlich nehmen sich Daniel Gaede, Lars-Anders Tomter, Gustav Rivinius und Oliver Triendl dieser Werke mit großem Können und viel Leidenschaft an. Dass sie sich der Interpretation auch mit Liebe widmen, liegt schon im Namen begründet.
Als der Geiger Daniel Gaede 1994 zum Konzertmeister der Wiener Philharmoniker gewählt wurde, war er für die Fachleute schon kein unbeschriebenes Blatt mehr. Trotz der vielfältigen Aufgaben mit den Wienern blieb er weiterhin als Solist und Kammermusiker aktiv. Seine Auftritte und die mit dem Pianisten Phillip Moll eingespielte Kreisler-CD erhielten so starke Resonanz, daß er das weltberühmte Orchester nach sieben Jahren wieder verließ, um sich noch intensiver seinen solistischen und kammermusikalischen Zielen zu widmen. Schon früh hatte sich Daniel Gaede mit dem Konzertleben vertraut gemacht. Zahlreiche Preise und Auszeichnungen begleiteten seine Studienzeit, die ihn zu Thomas Brandis nach Berlin, Max Rostal in die Schweiz und Josef Gingold in die USA führte. Sein umfangreicher Konzertkalender führt ihn rund um den Globus auf alle wichtigen Podien der Musikwelt.
Der Bratschist Lars Anders Tomter gastiert in den bedeutendsten Konzertsälen der Welt, ist bei den führenden Festivals zu Gast und tritt als Solist mit den großen Orchestern auf. Er arbeitet mit Dirigenten wie Vladimir Ashkenazy, Sylvain Cambreling, Daniele Gatti, Manfred Honeck, Krzysztof Penderecki zusammen und ist Partner von Solisten wie Christian Altenburger, Leif Ove Andsnes, Joshua Bell, Iona Brown und Sabine Meyer. CD-Produktionen erschienen bei NMC, Octavia, Simax, Chandos, Virgin Classics und Naxos. Lars Anders Tomter ist Professor an der staatlichen Akademie in Oslo und außerdem gemeinsam mit Leif Ove Andsnes künstlerischer Leiter des Risør Kammermusikfestivals. Er spielt eine Gasparo da Salo-Viola aus dem Jahr 1590.
Gustav Rivinius wurde als erster deutscher Musiker beim Internationalen Tschaikowsky Wettbewerb in Moskau mit dem 1. Preis ausgezeichnet. Seitdem führten ihn seine Konzerte zu renommierten Orchestern in der ganzen Welt. Auftritte bei internationalen Festivals, Kammermusikabende - auch als Mitglied des Trio de Salò - sowie Rundfunk- und CD-Aufnahmen ergänzen seine solistische Tätigkeit. Rivinius studierte u.a. bei David Geringas, Zara Nelsova und Heinrich Schiff. Er unterrichtet als Professor an der Musikhochschule Saarbrücken.
Der Pianist Oliver Triendl, studierte u.a. bei Gerhard Oppitz und Oleg Maisenberg. Nachdem er bereits früh mit zahlreichen Preisen bei nationalen und internationalen Wettbewerben ausgezeichnet wurde, entwickelte sich rasch eine umfangreiche Konzerttätigkeit, die ihn als Solist und Kammermusiker in zahlreiche europäische Länder, nach Nord- und Südamerika, Südafrika, Russland und nach Japan führte. Solistisch arbeitete er mit renommierten Orchestern. Als leidenschaftlicher Kammermusiker konzertierte er mit Wolfgang Boettcher, Thomas Brandis, Eduard Brunner, Ana Chumachenko, Rainer Kussmaul, Lorin Maazel, Ingolf Turban u.a. Sein umfangreiches Repertoire wird in zahlreichen Rundfunk- und Fernsehaufnahmen sowie auf über 30 CD-Einspielungen dokumentiert.