Malt Beethoven in seiner Pastorale ein Bild in Tönen oder handelt es sich um rein sinfonische Musik vor einem Landschaftsbild? Eine Frage, die sich jeder beim Hören selbst beantworten darf.
Das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg spielte bei seinem Gastspiel in der Essener Philharmonie am 23.1.2007 Beethovens Sinfonie Nr. 6 "Pastorale" F-Dur op. 68.
"Mehr Ausdruck der Empfindung als Malerey"
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Jetzt im Juni ist eigentlich die richtige Pastorale-Zeit: Die drückende Schwüle des Sommers entlädt sich an manchen Tage in einem gewaltigen Gewitter, das den Himmel reinfegt. Und danach? Es zieht ein klarer, reinigender, nasser Duft auf und "heitere Empfindungen" erwachen - oder? Sollten Sie ausgerechnet diesen Sommermoment auch noch am Wiener Schreiberbach irgendwo zwischen Nußdorf und Grinzing erleben - rein zufällig... - dann wäre es nicht mehr weit hin bis zu jenem Gefühl, das Beethoven im Sommer 1807 erlebte: "Hier habe ich die Szene am Bach geschrieben, und die Goldammern da oben, die Wachteln, Nachtigallen und Kuckucke ringsum haben mitkomponiert." Selbst wenn an dieser Geschichte nur die Hälfte stimmt, glaubt man sie beim Hören von Beethovens sechster Sinfonie aufs Wort. Denn was hier an Atmosphäre hochsteigt, übersteigt das Terrain einer klassischen Sinfonie.
Und doch war es auch Beethoven selbst, der solche träumerischen Bilder einer Sommerlandschaft relativierte. Denn seine Sinfonie sei "mehr Ausdruck der Empfindung als Malerey", erklärte er. Diese Empfindung speist sich aus Beethovens großer Naturliebe und all den Inspirationen, die er aus der Natur ziehen konnte. "Ist es doch als ob jeder Baum zu mir spräche auf dem Lande: heilig, heilig! Im Walde Entzücken! Wer kann alles ausdrücken?", schwärmte Beethoven und unternahm in seiner Musik den Versuch, genau den naturpassenden Ausdruck zu finden.
Die Pastorale ist eine Musik, die berührt. Hector Berlioz nannte sie gar die "schönste der Beethovenschen Kompositionen" und knüpfte nicht ohne Grund mit seiner "Symphonie phantstique" an das bildhafte Genre der Pastorale an. Doch der Erfolg dieser 1808 vollendeten Sinfonie stand nicht von vornherein fest. Als sie im Dezember 1808 in einem vier Stunden dauernden Konzert in Wien bei bitterster Kälte gemeinsam mit der fünften Sinfonie uraufgeführt wurde, befand Johann Gottfried Reichardt, "daß man auch des Guten - und mehr noch des Starken - leicht zuviel haben kann". Für ihn war die Pastorale in erster Linie zu lang. Erst mit Berlioz 'Entdeckung' der Pastoralen trat diese Sinfonie Beethovens aus dem Schatten der im 19. Jahrhundert so geliebten 'heroischen' Sinfonien heraus.
SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg
Die Geschichte des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg reicht in das Jahr 1946 zurück. Sie ist geprägt von unroutiniertem Umgang mit der Tradition, Aufgeschlossenheit für das Neue und Ungewöhnliche: Tugenden, über die auch Chefdirigent Sylvain Cambreling in ungewöhnlichem Maße verfügt, der seit 1999 mit dem Orchester arbeitet. Er bildet, zusammen mit seinem Vorgänger Michael Gielen und Hans Zender als ständigen Gastdirigenten, ein Triumvirat, wie es in der internationalen Orchesterlandschaft beispiellos ist.
Dass man mit hohen Ansprüchen Erfolg haben kann, beweist das Orchester bis heute. Mehr als 300 von ihm eingespielte Kompositionen sind auf CD erschienen, und es reist seit 1949 als musikalischer Botschafter durch die Welt. Zahlreiche Gastspiele verzeichnet die Orchesterchronik, darunter regelmäßig zum Festival d’Automne Paris, den Salzburger Festspielen, nach Wien, Berlin und Edinburgh, Brüssel, Luzern, Strasbourg, Frankfurt...
1999 spielte das Orchester in der New Yorker Carnegie Hall u.a. die amerikanische Erstaufführung von Bernd Alois Zimmermanns "Requiem für einen jungen Dichter". Viel beachtete Großprojekte fanden in den letzten Jahren unter anderem bei den Salzburger Festspielen, bei der 1. RUHRtriennale und in der Kulturhauptstadt Europas Graz statt. 2005/06 wurden - neben dem orchestereigenen 60. Geburtstag - sowohl Mozarts 250. als auch Helmut Lachenmanns 70. Geburtstag in etwa einem Dutzend Konzerten zwischen Wien und Paris, Brüssel und Berlin gefeiert.
Ungewöhnliche Konzert-Konzepte unterstreichen das besondere Profil des Orchesters: So etwa die Verschränkung von Haydns "Sieben letzten Worten" in einer den Raum einbeziehenden Bearbeitung von Sylvain Cambreling mit Messiaens "Et exspecto resurrectionem mortuorum" und literarisch-theologischen Betrachtungen von Martin Mosebach, oder eine "Hommage à Mozart" gemeinsam mit dem Freiburger Barockorchester.