Kommentar

KI und seine Auswirkungen auf Musikschaffende: Hilfe oder Konkurrenz?

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Autor/in
Hannah Schmidt

Die Künstliche Intelligenz ist endgültig in der Musikbranche angekommen – zwar schon seit einigen Jahren, aber die Entwicklungen sind so rasant, dass wir mit dem Diskurs kaum hinterherkommen. Was kann die Technologie mittlerweile – und welche Auswirkungen hat das auf Musikschaffende? Müssen Musiker*innen Angst davor haben, überflüssig zu werden?

Neue Musik per Mausklick

Anfang Juli hat der Deutsche Musikrat sein Forderungspapier zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz aktualisiert. Die Leitfrage darin: Ist Künstliche Intelligenz in der Musik Hilfe oder Konkurrenz?

Programme wie Googles „Magenta“, „MIMIC“ oder die Technologie „MuseNet“ erschaffen ja mittlerweile per Mausklick eigene Musikstücke, die von mehreren Instrumenten gespielt und mehrere Minuten lang sein können.

Andere KI-gestützte Programme können bestehende Werke verändern oder klangliche Elemente herausfiltern. Sie schreiben Songtexte und Untertitel, und wieder andere ermöglichen es den Nutzerinnen und Nutzern die eigene Stimme in die einer anderen Person zu verwandeln – in Echtzeit.

Viele rechtliche Probleme

Vieles von all dem ist auf den ersten Blick kaum bis gar nicht mehr von menschlichen Schöpfungen zu unterscheiden – das ist faszinierend, und ein Problem.

Für das Training dieser KIs nutzen die Programmierenden nämlich Musik, die bereits im Internet verfügbar ist – bisher ist allerdings wohl kein einziger der Rechteinhaber vorher gefragt oder dafür irgendwie entlohnt oder entschädigt worden. Das sogenannte Voice Cloning – Stimmenklonen – kratzt zudem an menschlichen Persönlichkeitsrechten.

Es drohen Job-Verluste

Schon heute verlieren Komponistinnen und Komponisten Jobs – vor allem diejenigen, die beispielsweise musikalische Teppiche für Dokumentarfilme und Fernsehserien schreiben, sogenannte „funktionelle“ Musik.

Von 2022 auf 2023 gab es einen regelrechten Boom von KI-generierter Musik, der nach wie vor anhält – und  weil bisherige Algorithmen auf Streamingdiensten Musik bevorzugen, die sich besonders stark ähnelt, ist eines durchaus zu befürchten: dass KI-generierte Musik rein quantitativ irgendwann die Präsenz menschlicher Künstler auf diesen Plattformen minimieren könnte.

KI schwächt künstlerische Originalität

Überhaupt: Alle KI-gestützten Musikproduktionsprogramme arbeiten mit algorithmischen Ähnlichkeiten, sie ahmen also nach und kombinieren neu, was bereits existiert.

Die Musik auf Streamingplattformen, in Filmen und in der Werbung könnte noch homogener werden.

So verbreiten sich Stereotype und Floskeln immer weiter, sie reproduzieren sich gewissermaßen selbst – musikalische und künstlerische Originalität, Individualität und Diversität haben hier auf Dauer also keine Chance. Die Folge: Die Musik auf Streamingplattformen, in Filmen und in der Werbung könnte noch homogener werden.

KI bietet auch Chancen

Aber KI bietet natürlich auch Chancen – Chancen für diejenigen, die sie in ihre kreative Arbeit einbinden können und möchten: Sie demokratisiert die Musikproduktion, weil sie Hürden abbaut.

Ihr Output kann als kreativer Input genutzt werden. KI-gestützte Suche könnte unbekannten Künstlerinnen Sichtbarkeit verschaffen – und überhaupt wird durch die Hilfe von KI vieles effizienter und leichter.

Das alles existiert gleichzeitig – auf die Frage des Musikrates, ob KI in der Musik Hilfe oder Konkurrenz sei, gibt es also keine eindeutige Antwort.

Ethische Fragen müssen geklärt werden

Umso wichtiger ist es, dass die Branche einen ethischen Umgang mit KI-generierter Musik findet, einen Weg, der die ausbeuterischen Strukturen bremst, die sich jetzt schon ankündigen: Musikerinnen und Musiker, deren Kunst zum Training der KIs genutzt wird, müssen gefragt, bezahlt und entschädigt werden.

KI-generierte Musik sollte auf Streamingplattformen als solche gekennzeichnet werden.

Es braucht klare Regelungen für die Benutzung von fremden Stimmen. KI-generierte Musik sollte auf Streamingplattformen als solche gekennzeichnet werden – und überhaupt müssen wir alle an unserer KI-Kompetenz arbeiten.

Werden Musikschaffende überflüssig?

Über all dem schwebt nach wie vor die allumfassende Frage: Werden wir, je weiter die Fähigkeiten der KI voranschreiten, irgendwann von unseren selbst erschaffenen Monstern abgelöst? Werden wir überflüssig?

Eine kurzfristige Beruhigung an dieser Stelle gibt Chat GPT selbst: Das Programm hält ein solches Szenario für unwahrscheinlich – und nennt vor allem einen Grund: KI wird sehr wahrscheinlich niemals dazu in der Lage sein, die Komplexität menschlicher Emotionen zu erfassen und in Musik umzusetzen.

KI wird sehr wahrscheinlich niemals dazu in der Lage sein, die Komplexität menschlicher Emotionen zu erfassen und in Musik umzusetzen.

KI fehlt die kreative Flexibilität und die Fähigkeit, intuitiv arbeiten zu können. Ihr fehlen laut eigener Aussage Bewusstsein und subjektive Erfahrung – und wahrscheinlich wird sie auch nie an diesen Punkt gelangen. Und das ist dann doch beruhigend.

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Hannah Schmidt