Mainzer Komponist*innenporträt

HK Gruber in Mainz: Wie soll man ohne Neue Musik den neuen Mozart finden?

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Autor/in
Dominic Konrad
Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik
Malte Hemmerich
Lena Hofbauer

Der Österreicher HK Gruber gilt als einer der großen Komponisten unserer Zeit. Im vergangenen Jahr feierte er seinen 80. Geburtstag. Was er sich wünschte? Mehr Zeit zum Komponieren. Auch das Dirigieren und der Chanson sind für ihn große Leidenschaften. In allen drei Bereichen stand Gruber Ende Januar in Mainz im Fokus des Mainzer Komponist*innenporträts. Nun gibt es das Konzert zum Nachhören.

Neue Musik, die ohne Handreichung verstanden wird

Auf die Frage, welchen Tipp er angehenden Komponistinnen und Komponisten geben würde, antwortet HK Gruber ganz pragmatisch: „Kaufen Sie sich 30 Kilo Radiergummi. Das ist das wichtigste Gerät, das ein Komponist in seinem Leben mit sich führen muss.“

Versuchen, verwerfen und nochmal versuchen gehörten ganz einfach zum Handwerk des Komponisten. Das Ziel sei es schließlich, so Gruber, sich etwas auszudenken, dass es in dieser Form noch nicht gegeben habe. Gruber komponiert Neue Musik, doch vom Klischee der verkopften Eliten-Musik will er nichts wissen: Seine Musik soll auch ohne Einführungsveranstaltung zu verstehen sein.

Abendkonzert vom 1.7.2024 Mainzer Komponistenportrait 2024: HK Gruber

Das Mainzer Komponistenportrait 2024 war Ende Januar HK Gruber gewidmet. Der Österreicher feiert seit fünf Jahrzehnten große Erfolge als Komponist, Dirigent und Chansonnier.

Abendkonzert SWR Kultur

„Mit da Pratzen musst Bassgeiger wern“

Musik ist dem 1943 in Wien geborenen Heinz Karl Gruber förmlich in die Wiege gelegt. Unter seinen Ahnen soll sich nicht zuletzt Franz Xaver Gruber als Komponist des berühmtesten Weihnachtsliedes hervorgetan haben: „Stille Nacht, heilige Nacht“.

Als Kind war Gruber bei den Wiener Sängerknaben und bekam Klavierunterricht. Sein Gesangslehrer ermutigte Gruber schließlich, sich am Kontrabass zu versuchen: „Der hat meine Hände angeschaut und auf Wienerisch gesagt: ‚Mit da Pratzen musst Bassgeiger wern‘.“ – Mit diesen Pranken musst du Kontrabassist werden.

Den Kontrabass spielte Gruber nach dem Studium an der Wiener Musikhochschule zunächst beim Tonkünstler-Orchester und schließlich von 1969 bis 1995 im ORF Radiosymphonieorchester. Daneben gehörte er 1968 zu den Gründungsmitgliedern von MOB art & tone ART und wurde 1983 zum künstlerischen Leiter des Ensembles „Die Reihe“, eine Position, die er bis 2009 behielt.

JetztMusik Mainzer Komponistenportrait HK Gruber

Der Österreicher HK Gruber mag es gar nicht, an seine mittlerweile 81 Lebensjahre erinnert zu werden. Der Komponist und Dirigent strahlt eine Vitalität aus, die ihresgleichen sucht

JetztMusik SWR Kultur

Nachts komponieren sorgt für „Schlafdefizit von 25 Jahren“

Die Engagements als Kontrabassist gaben Gruber die Möglichkeit, sich ohne Auftragsdruck seiner Musik zu widmen. Doch es habe viel Zeit gebraucht, um sich abends nach getaner Arbeit von der Orchestermusik loszumachen und zur eigenen Musik zu finden. Im Gespräch mit dem NDR erinnert sich Gruber: „Dieser Prozess hat dann bis vier Uhr in der Früh gedauert. Ich habe mir dadurch gefühlt ein Schlafdefizit von ungefähr 25 Jahren eingehandelt.“

Als seine musikalischen Vorbilder zitiert der Österreicher die Komponisten der Wiener Schule, vor allem den frühen Schönberg, Alban Berg und Hanns Eisler, aber auch Strawinsky, Mahler und nicht zuletzt Kurt Weill.

Gruber: Frankenstein!! / Gruber · Berliner Philharmoniker

Der internationale Durchbruch kommt 1978 mit der Vertonung von Kinderreimen H.C. Artmanns für Chansonnier und Ensemble. „Frankenstein!!“ findet unter dem Dirigat von Simon Rattle mit dem Liverpool Philharmonic Orchestra seine Uraufführung. Auch Leonard Bernstein zählte zu den frühen Förderern des Komponisten.

Dass Publikum muss das Rätsel lösen wollen

Über die Jahre komponierte Gruber Orchesterwerke, Kammermusiken und Opern, darunter Stücke für namhafte Solisten wie Yo Yo Ma, Martin Grubinger, Emmanuel Ax oder Ernst Kovacic. Grubers Musik will, bei aller Modernität, das Publikum mitnehmen.

Dass die Angst vor der Neuen Musik ganz natürlich sei, sagte HK Gruber 2016 in einem Interview anlässlich der Inszenierung seiner Opernfassung von Ödön von Horvaths „Geschichten aus dem Wiener Wald“ an der Komischen Oper.

Das Publikum denke, es verstünde die Musik nicht, doch dabei gäbe es doch nichts zu verstehen. Egal, ob Beethoven, Mahler oder moderne Komponisten: Das Publikum müsse gewillt sein, sich auf das Rätsel der Musik einzulassen und es zu lösen.

HK Gruber dirigiert die Wiener Philharmoniker (2006)
NIcht nur als Komponist, auch als Dirigent feiert HK Gruber Erfolge, etwa hier bei einem Konzert mit den Wiener Philharmonikern im Jahr 2006.

Als Dirigent, Chansonnier und Komponist in Mainz geehrt

Im Rahmen des „Mainzer Komponist*innenportraits“ dirigierte Gruber Ende Januar 2024 Werke von Strawinsky, Debussy neben seinen eigenen Kompositionen, sowohl mit dem Philharmonischen Staatsorchester als auch im kleinen Werkstattkonzert. Daneben präsentierte er als Chansonnier einen „Anti-Liederabend“ mit Stücken von Eissler und Weill. Die Konzerte werden im Laufe des Jahres 2024 bei SWR Kultur zum Hören bereitgestellt.

Offenheit für Neue Musik ist wichtig, davon ist HK Gruber überzeugt. Hinter jeder Ecke könne schließlich ein neuer Mozart versteckt sein. „Aber wenn wir nicht bereit sind, nach diesem Mozart zu suchen“, so Gruber, „bleibt die Kultur einfach stehen.“

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Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik
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