für zwei Klaviere und zwei Schlagzeuger
Werkkommentar
Der Artikel The Insect Apocalypse is Here von Brooke Jarvis in der New York Times über den weltweiten Zusammenbruch der Insektenpopulationen und die schrecklichen Folgen dieser Entwicklung war der Auslöser für dieses gemeinsame Werk. Ich ging durch mein Haus, als ich den Artikel las, und blieb buchstäblich wie angewurzelt stehen. Als ich das Thema bei den Mitgliedern von Yarn/Wire ansprach, stellten wir fest, dass wir alle den Artikel gelesen hatten und gleichermaßen erschüttert waren. Ich arbeitete eine grobe Struktur für das Stück aus, das wir gemeinsam kreieren würden – nicht programmatisch, keine insektenähnlichen Klänge, sondern etwas Anderes. Im Laufe mehrerer Arbeitssitzungen wurde uns klar, dass wir mit unseren Gefühlen über das, was ökologisch geschieht, arbeiteten und Gesten und strukturelle Wege entdeckten, die diese Gefühle verkörpern und die sich immer weiter vertiefen.
Annea Lockwood
Wie ist dieses Stück entstanden? Jeder Aspekt des Werks ist aus einem Prozess des Zuhörens, Nachdenkens, Diskutierens und Vorschlagens entstanden. Von Anfang an hat sich Yarn/Wire in einen kreativen und kollaborativen Raum mit Annea begeben, der weit offen und frei von festen Vorstellungen war; vielmehr war er von Vertrauen geprägt. Vertrauen in unsere gemeinsamen und individuellen musikalischen Erfahrungen und Ansätze; Vertrauen in den Prozess des Erforschens und Experimentierens; Vertrauen in die Einzigartigkeit unserer individuellen und dann kollektiven Klänge; Vertrauen, dass diese Klänge den Weg weisen. Und schließlich das Vertrauen, dass das Stück durch all diese Arbeit seinen Abschluss gefunden hat. Während das Stück nun in vielerlei Hinsicht feststeht, entwickelt es sich dennoch weiter mit zusätzlichen Nuancen, Konturen und Tiefen, so wie wir als Individuen uns zusammen mit dem Material und dem Lauf der Zeit verändern. Folglich verändert sich das Stück mit jeder neuen Interpretation.
Wir hatten im Laufe der Jahre die Möglichkeit, unseren Beitrag zu vielen von uns in Auftrag gegebenen Werken zu leisten, aber bis zu diesem Stück hatten wir noch nie so viel kreativen Einfluss auf den Kerns eines Werks wie in diesem Fall. Die Zusammenarbeit mit Annea bei Into The Vanishing Point fühlte sich an, als würden wir uns auf ein Terrain wagen, das einerseits unbekannt, andererseits aber auch irgendwie sehr vertraut war. Sie ist eine ebenso großzügige wie präzise Komponistin: in ihrem Zuhören, ihrer klanglichen Vorstellungskraft sowie ihrem Sinn für Struktur und Proportion. Dieses Stück ist wie eine Einladung: eine Einladung von Annea an uns Musiker:innen und eine Einladung, die wir wiederum an die Zuhörenden weitergeben. Das mag zwar auf viele Musikstücke zutreffen, aber in diesem Fall scheint die Beschreibung besonders passend zu sein.
Laura Barger & Russell Greenberg (Yarn/Wire)
English
The Insect Apocalypse is Here, an article by Brooke Jarvis in the New York Times on collapsing insect populations worldwide and its dire implications, triggered this collaborative work. I was walking around my house while reading it and it literally stopped me dead in my tracks. When I brought up the topic with the members of Yarn/Wire we found we had all read it and were equally shaken. I worked out a rough structure for the piece we would create together – not programmatic, not invoking insect-like sounds but something else, and over a number of working sessions we came to realize that we were working with our feelings about what is happening ecologically, discovering gestures and structural paths which embody those feelings and which continue to deepen.
Annea Lockwood
How did this piece come to be? Each aspect of the work emerged from a process of listening, reflection, discussion, and suggestion. From the beginning, Yarn/Wire entered into a creative and collaborative space with Annea that was wide-open and devoid of preconceptions; rather, it was characterized by trust. Trust, first, in both our shared as well as our individual musical experiences and approaches, then trust in the process of exploration, experimentation; trust in the singularity of our individual then collective sounds; trust that these sounds were leading the way. Lastly a trust that through all of this work, the piece had reached its conclusion. And while the piece is now fixed in many respects, it continues to evolve with additional nuance, contour and depth, while we as individuals change along with the material and the passage of time. As a result, the piece continues to change with each interpretation.
We've had the chance to offer our input into many of the works we've commissioned over the years, but we'd never had as much creative agency in building the core of the work until this piece. Working with Annea on Into The Vanishing Point felt both like venturing into uncharted territory and also somehow very familiar. Her generosity as a composer equals her precision: in her listening, her timbral imagination, as well as her sense of structure and proportion. This piece is a lot like an invitation – one that's been extended from Annea to us as musicians, and one that we in turn extend to the listener. While that might be true of a lot of music in the world, the description feels especially apt in this instance.
Laura Barger & Russell Greenberg (Yarn/Wire)
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- Konzert: Yarn/Wire II, Annea Lockwood, Yarn/Wire, Into the Vanishing Pointfür zwei Klaviere und zwei Schlagzeuger
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