Meine Kompositionen haben immer einen erzählerischen Charakter, sie gehen meistens aus der gesprochenen Sprache hervor. Dies zeigt sich bei der Themenwahl meiner Stücke und auch in der Neigung zu sehr präziser musikalischer Artikulation. Besonders glücklich bin ich, wenn ich für Streichinstrumente komponiere, weil die Streicher durch ihren enormen Reichtum der Klangfarben, durch den großen Umfang der Tonhöhen – von der brummenden Tiefe bis zur pfeifenden Höhe – besonders fein, "sprachartig" artikulieren können.
Mein erstes Streichquartett Korrespondenz aus dem Jahr 1992 ist eine dramatische Mini-Oper. Es basiert auf dem Briefwechsel zwischen Leopold und Wolfgang Amadeus Mozart, zwischen Vater und Sohn, während der dramatischen Jahre, in denen Wolfgang zwei Jahre lang in Paris lebte und sich etwas unglücklich verhielt und dem Vater sogar lange verschwieg, dass seine Mutter, die ihn dorthin begleitet hatte, verstorben war. The Sirens Cycle ist die Weiterentwicklung einer opernhaften Idee, diesmal von einer Sopranstimme geführt, die vom Streichquartett wie von einem Chor ständig begleitet wird. Ausgangspunkt für diese Komposition war Franz Kafkas absurder Text Das Schweigen der Sirenen. Dieses Thema hat mich so beschäftigt, dass ich durch eine thematische Verknüpfung die Sirenen-Motive von James Joyce und Homer hinzugezogen habe. So entstand ein Zyklus von drei Teilen, die sehr unterschiedlichen Charakter haben, aber auch in ihrer Vielfarbigkeit eine Idee verkörpern: den Gesang oder eben das Schweigen der Sirenen.
Die verschiedenen Sprachen beeinflussen maßgebend den Stil meiner Kompositionen. In Korrespondenz habe ich Salzburger Dialekt und französischen Sprachcharakter verbunden. In The Sirens Cycle ändert sich das musikalische Material je nach Original- sprache der einzelnen Autoren: Wir hören den ersten Satz: JOYCE auf Englisch, den zweiten: HOMER auf Altgriechisch und den dritten Satz: KAFKA auf Deutsch.
Die Musik ist eine Weltsprache.
Ein wesentlicher Teil der Vorbereitung dieser kompositorischen Arbeit fand im IRCAM in Paris statt. Dort habe ich die gesprochenen Texte von Joyce, Homer und Kafka auf Spektrum, Dynamik und Dauer analysiert. Die bildschönen, farbigen Ergebnisse habe ich hinterher auf Gesang und Instrumente übertragen und weiterentwickelt. Die beiden kurzen INTERLUDES wurden im IRCAM mit dem Calder Quartet aufgenommen und transformiert.
English
My compositions always have a narrative character, and usually originate from spoken language. This is evident both in my choice of topics and in my tendency towards very precise musical articulation. I am especially happy when writing for string instruments, as their enormous wealth of timbres and wide pitch range – from rumbling depths to whistling heights – enable them to articulate in an especially refined, 'speech-like' manner.
My first string quartet Korrespondenz, written in 1992, is a dramatic mini-opera. It is based on the correspondence between Leopold and Wolfgang Amadeus Mozart, between father and son, during those dramatic years when Wolfgang was living in Paris and behaved in some unfortunate ways, even concealing from his father the fact that his mother, who had accompanied him there, had died.
The Sirens Cycle is the continuation of an operatic idea, this time led by a soprano voice constantly accompanied by a string quartet, the latter acting as a chorus. The point of departure for this composition was Franz Kafka's absurd text The Silence of the Sirens. The topic preoccupied me to such a degree that, through a thematic connection, I also drew on the sirens motifs from James Joyce and Homer. This resulted in a cycle comprising three parts that differ greatly from one another, yet embody a single idea despite their multi-coloured nature: the song of the sirens – or indeed their silence.
My choice of language substantially influences the style of my compositions. In Korrespondenz I combined Salzburg dialect with the character of French. In The Sirens Cycle, the musical material changes depending on the original languages of the individual authors: we hear the first movement, ‘JOYCE’, in English, the second, ‘HOMER’, in ancient Greek, and the third, ‘KAFKA’, in German.
Music is a global language.
A substantial part of the preparations for my compositional work took place at IRCAM in Paris, where I analyzed the texts by Joyce, Homer and Kafka in terms of their spectrum, dynamics and duration. I later transferred the ravishingly beautiful, colourful results to the voice and instruments. The two short 'INTERLUDES' were both recorded with the Calder Quartet and subsequently transformed at IRCAM.
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- Peter Eötvös, The Sirens Cycle für Kolratursopran, Streichquartett und Elektronik
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