Wenn die Tallis Scholars singen, stehen die fünf Frauen und fünf Männer meist im Halbkreis nebeneinander, die Noten in beiden Händen haltend, erwartungsvoll blicken Sie auf ihren Leiter und Gründer Peter Phillips, der in der Mitte vor ihnen steht und dirigiert.
Seit 50 Jahren begeistern Sie die Menschen mit Ihren Interpretationen alter A-cappella-Musik.
Benannt nach Thomas Tallis
Über 3000 Mal ist das hohe C im Miserere von Gregorio Allegri in den letzten 50 Jahren von einer Sopranistin der Tallis Scholars gesungen worden. Eigentlich müssten Sie sich die Allegri-Scholars nennen, so oft wie sie dieses Stück schon musiziert haben.
Aber damals 1973 hat Peter Phillips die englische A-cappella-Gruppe nach dem englischen Komponisten Thomas Tallis benannt, auch, weil sie zuerst mit englischer Renaissancemusik angefangen haben.
Renaissance statt Barock
Phillips hat damals in Oxford studiert, zu der Zeit haben alle Bach und Händel gesungen, aber Phillips war im Polyphonie-Fieber. Er war ein Hilfsorganist am St. John's College und hat dort schon einen Chor geleitet.
Ein paar Leute aus diesem Chor und andere talentierte Freunde hat er dann zu einem neuen Ensemble geformt, um Renaissancemusik zu singen.
Detailreichtum durch wenig Vibrato
Als die Tallis Scholars 1973 anfangen, singen sie Musik die zwischen 1450 und 1610 komponiert worden ist. Damals hat man diese Musik höchstens mal in der Kirche gehört, aber nicht im Konzert.
Neu war auch die Besetzung der Tallis Scholars: In der englischen Chortradition sind normalerweise Knaben im Sopran und Countertenöre im Alt, Peter Phillips aber hat von Anfang an sein eigenes Ding gemacht und die Sopran- und zum Teil auch die Altstimmen mit Frauen besetzt und neu war auch der Klang der Tallis Scholars: kaum Vibrato.
Was das ausmacht, hatte Phillips durch den Chor von David Wulstan kennengelernt, in dem komplett ohne Vibrato gesungen wurde. Das hat Peter Phillips beeindruckt, weil plötzlich die Details hörbar waren, deshalb singen seine Tallis Scholars mit wenig bis kaum Vibrato.
CD-Erfolge
1980 gründet Peter Phillips zusammen mit Steve Smith das Label Gimell-Records, um dort die Aufnahmen der Tallis Scholars zu veröffentlichen. 1987 kam der absolute Durchbruch: ihre CD mit Musik von Josquin Desprez bekommt den Grammophone Award.
Zum ersten Mal hat eine Alte Musik-CD diesen Preis bekommen. Und der hat die Karriere des englischen Ensembles beschleunigt. Seitdem haben die 5 Frauen und 5 Männer auf der ganzen Welt gesungen, über 2500 Konzerte haben sie gegeben, sind ein paar Mal im Opernhaus in Sydney aufgetreten, in der Sixtinischen Kapelle in Rom, haben viele Auszeichnungen bekommen.
Einer von vielen Höhepunkten war sicherlich die Aufführung aller 18 Messen von Josquin Desprez in Berlin und beim Oude Musik Festival 2023 in Utrecht.
Weltbekannt durch Fifty Shades of Grey
Mittlerweile singen die Tallis Scholars nicht nur Renaissance Musik, sondern auch Musik von Arvo Pärt und anderen Komponisten, die zu ihrem Klangideal passen. Das Kernrepertoire der Tallis Scholars bleibt aber die geistliche Renaissancemusik.
Seit 50 Jahren sind sie ein Vorbild für viele A-cappella-Gruppen. Einer ihrer Bestseller-CDs ist die Aufnahme mit der 40 stimmigen Motette „Spem in alium“ von Thomas Tallis. Als das Stück in dem Film „Fifty Shades of Grey“ erklang, schnellt ihre Aufnahme an die Spitze der Klassik Charts. Seit Jahrzehnten begeistern die Tallis Scholars ihre Zuhörer.