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3-Meter-Riesenblockflöte „Big Babe“ erobert Freiburg: „Man braucht eine Lunge wie ein Walross“

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Autor/in
Christiane Peterlein
Christiane Peterlein, SWR2 Moderatorin

Die Freiburger Hochschule für Musik hat einen neuen Star: die drei Meter lange Sub-Kontrabass-Flöte mit dem Spitznamen „Big Babe“ (Riesenbaby). Gekauft hat die Musikhochschule sie für ihre Blockflötenklasse und bietet den Studierenden damit eine ganz besondere Musizier-Möglichkeit: Denn weltweit gibt es nur sechs Exemplare von Big Babe.

„Man braucht eine Lunge wie ein Walross“

Kastanien-braun, glänzende Messing- Beschläge und so hoch wie ein junger Baum: Big Babe ist eine beeindruckende Erscheinung. Um sie spielen zu können, stellt sich Professor Stefan Temmingh auf die Treppe. So erreicht er Big Babes Anblas-Rohr. Es sei wie ein Riesen-Strohalm, wo man reinbläst, verrät der Musikvermittler.

4,5 Meter wandert die Luft durch Big Babes Inneres, bis die Flöte einen Ton von sich gibt. „Man braucht eine Lunge wie ein Walross, um darauf spielen zu können“ , so Temmingh, „dann geht es gut“.

Neben viel Lungen-Volumen fordert die Flöte von ihren Spielern und Spielerinnen auch große Hände. Denn nur mit einer großen Spannweite kann man die weit auseinanderliegenden Flöten-Löcher erreichen. Und: Big Babes Löcher haben einen großen Durchmesser. Breite Finger-Kuppen können sie verschließen, schmale Finger rutschen leicht hinein.

Blockflötist Stefan Temminh über einen weißen Tisch gebeugt. Neben ihm sein Instrument.
Stefan Temmingh ist Professor für Blockflöte an der Hochschule für Musik Freiburg.

In der Tradition von Queen Elizabeth I.

Wer Big Babes harte Auswahl-Kriterien erfüllt und ihre riesige Luftsäule zum Schwingen bring, den erwartet ein Musizier-Erlebnis, das durch den ganzen Körper geht: „Wen man ein sehr körperlicher Spieler ist, spürt man dann auch Töne in den Füßen, in den Zähnen und so weiter.“, verrät Stefan Temmingh.

Solo-Literatur gibt es für die Sub-Kontrabass-Flöte bisher nicht. Kammermusik des 16. and 17. Jahrhunderts, die sogenannte Consort-Musik, ist Habitat der Riesenflöte. Eine prominente Consort-Liebhaberin war Queen Elizabeth I., die an ihrem Hof die besten Blockflötisten versammelte. Unter ihrer Regierung erlebte die Consort-Musik eine Blüte.

Die Original-Instrumente der Renaissance sind Big Babes Ur-Ahnen. Sie selbst ist aber ein Kind des 20. Jahrhunderts: Vor ihr gab es keine Flöte, die so tief wie sie spielen konnte – wie ihr offizieller Name verrät, reicht ihr Tonumfang bis zum Sub-Kontra-F.

Blockflöte-Studenten Johann Sundermeier mit normaler Blcokflöte und Mathis Wolfer mit Riesenflöte im Treppenhaus der Universität
Die Blockflöte-Studenten Johann Sundermeier (links) und Mathis Wolfer (rechts) sind groß genug für „Big Babe“. Um sie spielen zu können braucht man Körpergröße, große Hände und einen langen Atem.

Nach dem Vorbild der berühmten Bassano-Flöten gebaut

Um diese tiefen Bass-Klängen will ein niederländisches Block-Flöten-Ensemble seinen Sound erweitern – für eine Consort-Musik mit einem noch stärkeren Fundament und mehr Gravität – und wendet sich mit dieser Klang-Idee an eine Freundin, die Blocklötenbauerin Adriana Breukink.

„So wie Adriana war, sagte sie sofort ja“, erinnert sich Stefan Temmingh, „und hat es sich zu Aufgabe gemacht, so eine Blockflöte zu entwerfen und dann auch zu konstruieren.“ Als Vorbild für die Proportionen nutzt sie die Instrumente der berühmten Bassano-Familie, eine Musiker- und Blockflötenbauer-Dynastie aus dem 16. Jahrhundert.

Flötenbauerin Adriana Breukink im Gespräch

Big Babe schreibt nun die Musikgeschichte der Renaissance im 20. Jahrhundert weiter. Sechs Flöten dieser Art baut Adriana Breukink, 2022 verstirbt sie unerwartet.

Ihr privates Big Babe hat nun ein neues Zuhause gefunden: Zusammen mit seinen 3 Flöten-Geschwistern aus Adriana Breukinks Consort-Set ist die Riesenflöte nun an die Musikhochschule Freiburg gezogen und wird in vielen Ohren und Herzen neue Begeisterung für Consort Musik auslösen, in der Freiburger Musikszene und weit über die Grenzen der Stadt hinaus.