Die Olympischen Spiele liegen in den letzten Zügen, und außer Sport zum Hinschauen gab es da in den letzten Wochen auch was auf die Ohren – wie der SWR Kultur Kolumnist René Sydow beobachtet hat.
Ausdruck des Patriotismus im Biergarten
Jetzt, wo die Fußball-Europameisterschaft vorbei und Olympia auch bald rum ist, kann ich es Ihnen ja erzählen: Ich bekomme immer ein bisschen Beklemmungen, wenn Leute Hymnen singen. Zum Beispiel beim EM-Spiel Deutschland – Spanien.
Da saß ich mit meinem Kumpel Max in einem schönen Lokal, Bierbänke nach draußen gestellt, Großleinwand, Buletten mit Senf, hunderte pinke Trikotträger um uns rum. Als dann aber die deutsche Nationalhymne gespielt wurde, sang plötzlich das komplette Lokal und auch der Vorplatz mit.
Anarchist, der ich bin, habe ich in hymnensingenden Menschenmassen meist das Gefühl am falschen Ort und unter den falschen Leuten zu sein, aber so schnell kam ich da nicht weg und die Bulette hatte ich auch noch nicht aufgegessen.
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Prof. em. Dr. Gunter Gebauer, Sportsoziologe FU Berlin
Thomas Kistner, Sportredakteur Süddeutsche Zeitung
Du hast ein Hymnen-Problem?
Max fragte, warum ich so seltsam schaute, worauf ich ihm von meinem Hymnen-Problem erzählte.
„Du hast ein Hymnen-Problem?“, fragte er, und ich dachte, die Diskussion wäre damit eh schon in die falsche Richtung gelenkt, aber er hatte mich wohl doch verstanden. „Hymnen sind wichtig“, meinte er, „sie sind essenzieller Teil der Identität und des Nationalstolzes. Und jedes Land hat deswegen auch seine eigene, nur für dieses Land gespielte Hymne.“
Hymnen-Kolonialismus made in Britain
Und das stimmt eben nicht. Mein Lieblingsbeispiel ist die britische Nationalhymne „God Save the King“, sehr populär, sehr eingängig. So eingängig, dass ihre Melodie zuerst von Preußen, dann von der Schweiz und Liechtenstein übernommen wurde.
Und damit nicht genug: Die preußische Variante „Heil Dir im Siegerkranz“ wurde 1872 vom Berliner Kapellmeister Heinrich Berger zu seiner Anstellung beim König von Honolulu mitgenommen und so schaffte es die Melodie der britischen, respektive preußischen Nationalhymne auch noch zur hawaiianischen. Wenn es damals nur schon die GEMA gegeben hätte!
Wegen Beckenbauer? Deutschland singt zur Kaiserhymne
Max wiederum: „Aber unsere Hymne! Die deutsche Nationalhymne! Die gehört nur uns Deutschen!“ Woraufhin einige Bulletten in Trikots um ihn herum das ein oder andere „Jawoll!“ von sich gaben.
Ich wies vorsichtig darauf hin, dass unsere Nationalhymne eigentlich nur eine Neubetextung der österreichischen Kaiserhymne „Gott erhalte Franz, den Kaiser“ sei.
„Genau, Franz, der Kaiser. Europameister '72, Weltmeister '74 und als Trainer Weltmeister 1990!“
Woraufhin ich erwiderte: „Nee, Franz, der Kaiser, '92 Erster Koalitionskrieg, '99 Zweiter Koalitionskrieg und 1796 ließ er einen afrikanischen Intellektuellen ausstopfen.“
Hymne für Deutschland, Demokratie und Dosenpfand
Daraufhin meinte Max nur: „Ich hol mir noch ´n Bier.“ Als er zurückkam, wirkte er geknickt: „Sag mal, gibt es denn keine richtig deutsche Nationalhymne, ich meine, bei der die Musik von einem Deutschen stammt?“
Angeregt von diesem Gespräch arbeite ich, ein deutscher Dichter und Hobby-Komponist, seitdem an einer neuen deutschen Nationalhymne, Tonart D-Dur für Deutschland, Demokratie und Dosenpfand, die unsere alte hoffentlich bald ersetzen und rund um den Globus gespielt werden wird. Denn bei der GEMA habe ich mich gestern auch schon angemeldet.
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