Einspielungen von Beethovens Violinsonaten gibt es viele, schon allein von der Kreutzer-Sonate stehen über 200 Aufnahmen im Katalog. Doch Antje Weithaas und Dénes Várjon stellen auf diesem ersten Album, das als Beginn einer Kompletteinspielung der Violinsonaten angelegt ist, nochmal neue Nuancen heraus. Kritikerin Eleonore Büning ist begeistert.
Die Kreutzer-Sonate: Pathos pur, vieltausendfach gehört
Pathos pur, diese Solo-Kadenz zu Beginn. Vieltausendfach schon gehört. Da fragt man sich doch: Wozu noch eine neue Aufnahme?
Das Klavier antwortet der Violine ebenfalls mit einer Kadenz, allerdings in a-moll. Diese gesamte A-Dur-Sonate, die später sogenannte Kreutzer-Sonate steht übrigens hauptsächlich in Moll. Und sie fängt so an, wie Musik üblicherweise aufhört: mit Schlussformeln.
Auf das Titelblatt dieser epochemachenden Violinsonate, in der alles neu und ganz anders ist, als jemals zuvor, notierte Beethoven: „scritta in un stilo molto concertante quasi come d'un concerto“, in einem sehr konzertierenden Stil geschrieben, quasi wie ein Konzert. Beethoven muss sich also selbst absolut darüber im Klaren gewesen sein, dass es sich hier um ein Experiment handelt.
Bis heute hat die Sonate nichts von ihrer Kraft eingebüßt
Konzertierend ist eine Untertreibung, ein viel zu harmloses Wort: Es gibt aussagestarke, dramatische Entwicklungen in diesem Werk, die höchste Virtuosität verlangen. Von der Geige sowieso, aber mehr noch vom Klavier.
Laufend werden Hör-Erwartungen über den Haufen gerannt. Beethoven, der selbst am Flügel saß bei der Uraufführung in Wien, wurde damals vom Publikum dafür tumultuös ausgelacht. Das ist verbürgt, es passierte mitten im zweiten Satz, einem Variationensatz, der doch so nett und harmlos anfängt.
Bis heute hat diese Sonate die Kraft, die sie aus ihrem Ideen-Überschuss bezieht, nicht verloren. Die Musiker auf der ganzen Welt suchen immer noch nach optimalen Lösungen für unspielbare Passagen. Vielleicht deshalb muss diese Sonate immer wieder neu in Angriff genommen werden.
Rundum gelungene Interpretation von Weithaas und Várjon
Die Geigerin Antje Weithaas und der Pianist Dénes Várjon haben jetzt eine neue Gesamtaufnahme aller Beethoven-Violinsonaten begonnen. Sie stellen dabei die Kreutzersonate an den Anfang, um die härteste Nuss gleich zu knacken. Und das ist ihnen rundum gelungen!
Es ist eine lyrische Lesart, die eine gemeinsame Sprache spricht. Das greift ineinander, das atmet miteinander, so selbstverständlich und locker, so ganz ohne Druck und ohne jede Übertreibung, vor allem bei den kniffligen Passagen, dass man aus dem Staunen nicht herauskommt.
Zum Beispiel die irre schnellen Repetitionsfiguren hier, aus besagtem Variationensatz: Ein Alptraum für jeden Geiger!
Antje Weithaas, Dénes Várjon und Maximilian Hornung spielen Schumann
Leichtigkeit statt Kraftmeierei
In den meisten Aufführungen wird hier ein bisschen gemogelt, entweder das Tempo angezogen, um die Sache rasch und kraftmeierisch hinter sich zu bringen, oder man verlangsamt und verwischt die Akzente. Und der Hörer hört normalerweise: Ah, das ist schwer, typisch Beethoven!
Bei Antje Weithaas und Dénes Várjon wird daraus Musik. Wir hören das Tänzchen. Wir hören einen Drehwurm. Lustig tönt das, leicht, verliebt, klar, durchsichtig. Als wär das ein Klacks.
Vor allem aber besticht diese Interpretation von Antje Weithaas und Dénes Várjon durch die Freiheit des Vortrags. Und die verdankt sich einer sagenhaft selbstverständlichen, lustvoll perfektionistischen Symbiose der beiden.
Früher Beethoven: Violinsonate Nr. 2 A-Dur
Eine neue Beethoven-Referenzaufnahme!
Zur Kreutzer-Sonate dazu gekoppelt haben sie, für diese erste CD ihrer Gesamtaufnahme, die a-moll-Sonate op.23 und eine der frühen Sonaten op.12: Nr. 2 A-Dur.
Alles fließt. Licht und Schatten fliegen vorbei, Abenteuer und Schmerz. Jede Phrase ist logisch durchgestaltet, scharf sind die Tempi, biegsam die Agogik, brillant das Klangbild. So muss das sein. Eine neue Beethoven-Referenzaufnahme!
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