Ihre sanft-melancholische Stimme beschwört die Musik vergangener Zeiten herauf. Es ist diese Musik, die Melody Gardot ins Leben zurückholte. Am Freitag, dem 14. Juli spielt die US-amerikanische Jazz-Sängerin bei den Stuttgarter Jazzopen. Im Gepäck hat sie die Musik ihres aktuellen Albums „Entre eux deux“, ein Liebesbrief an ihre Wahlheimat Paris und an den brasilianischen Jazz.
Eine Stimme voller Nostalgie
Man wähnt sich in einem Film von Truffaut oder Godard, eine Ahnung längst vergangener Zeiten, die nur noch auf Zelluloid und Vinyl besteht, wenn sich die dunkel-samtige Stimme von Melody Gardot sanft hauchend aus einem Klangteppich von Klavier und Streichern erhebt.
2022 veröffentlichte Gardot ihr aktuelles Album „Entre eux deux“ („Zwischen diesen beiden“), ihre erste Zusammenarbeit mit Pianist Philippe Powell, dem Sohn des legendären Gitarristen und Bossa-Nova-Pioniers Baden Powell.
Der Bossa Nova hat eine besondere Bedeutung für die Sängerin, deren Stimme so gerne mit Katie Melua oder Nora Jones verglichen wird. Sein ruhiger Fluss half Melody Gardot, wieder zu sich selbst und zur Musik zu finden, nachdem ein Unfall sie brutal aus ihrem bisherigen Leben riss.
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„Da war eine Kluft zwischen meinem Gehirn und meinem Mund.“
Mit gerade einmal 18 Jahren erleidet Gardot bei einem Fahrradunfall schwere Verletzungen an Kopf, Wirbelsäule und Becken. Das Erste, woran sie sich nach dem Unfall erinnert, sind Geräusche. Die Sängerin beschreibt in einem Interview: „Es war ein durchdringender Lärm, Oktaven über irgendetwas, das ich jemals zuvor gehört hatte. Und dann muss ich in meinen Körper zurückgekommen sein, denn ich realisierte, dass ich das war. Dass ich schrie.“
Ein Jahr lang ist Melody Gardot an das Krankenhausbett gefesselt. Sie muss einfache, alltägliche Dinge neu erlernen, leidet an Gedächtnisverlusten und reagiert übersensitiv auf Geräusche und Licht.
„Ich konnte nicht laufen, ich konnte nicht sprechen“, erinnert sie sich. „Mein Gehirn funktionierte, aber da war eine Kluft zwischen meinem Gehirn und meinem Mund.“
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Musik als Weg zurück ins Leben
Auf Anraten eines Arztes, der glaubt, Musik könne bei ihrer Genesung helfen, lernt Gadot zunächst wieder zu summen, anschließend zu singen. „Durch die Musik habe ich wieder gelernt, Worte zu formen. Die Nerven waren so beschädigt, dass ich nicht mehr meine Gefühle ausdrücken konnte.“
Die Musik wird für sie auch zur seelischen Therapie: Mit einem Kassettenrekorder nimmt sie ihren Gesang auf. Sie beginnt im Krankenbett liegend Gitarre zu spielen und ihre eigenen Songs zu schreiben.
Einige Stücke, die sie während ihrer Therapie schreibt, veröffentlicht sie 2005 unter dem Titel „Some Lessons: The Bedroom Sessions“ auf iTunes. Ein Jahr später folgt ihr erstes Album „Worrisome Heart“ bei Universal Music.
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Weltkarriere trotz chronischer Schmerzen
Die Schmerzen und die Lichtempfindlichkeit begleiten Melody Gardot bis heute, zwanzig Jahre nach ihrem Unfall. Jahrelang reist sie nur in Begleitung von Physiotherapeuten. „Vor zehn Jahren war es mörderisch, vor fünfzehn nahezu unmöglich“, sagt sie 2022 in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. „Vergleichsweise ist es jetzt ein Spaziergang.“
Musikalisch arbeitet sich Gardot in die erste Riege der Jazzsängerinnen vor. Vor allem in Europa stoßen ihre Platten auf positives Echo. Sie kollaboriert mit Künstlerinnen und Künstlern wie Sting, Till Brönner, André Manoukian und Juliette Gréco.
„Ich bin niemals darauf aus, Musik für irgendjemand anderen zu machen als für mich“, sagt die Musikerin. „Wenn ich das Studio verlassen habe und die erste Aufnahme gemacht ist, dann deshalb, weil ich sie mir angehört habe, sie mochte und denke, es ist das Beste, was ich tun konnte.“
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„Entre eux deux“ – Liebeserklärung an Paris
Heute lebt Melody Gardot in Frankreichs Hauptstadt. Sie spielt häufig in Paris und sie wollte „wie eine Pariserin leben, wenn sie in der Stadt ist“. Wie eine Liebeserklärung an Paris klingt das Album „Entre eux deux“, das sie und Philippe Powell mit dem Untertitel „The Paris Sessions“ versehen haben.
Gardot und Powell waren sich bereits mehrfach im musikalischen Nimbus der Stadt begegnet, aber zur Zusammenarbeit kam es erst durch die Pandemie. Da ihre US-Band wegen der Reisebeschränkungen nicht zum Auftritt in Paris kommen konnte, rief sie Powell an, der sie auf dem Klavier begleitete.
„Wir probten kurz und am Schluss dieses Fernseh-Auftritts spielte er einen Akkord, der mich umhaute“, erinnert sich Gardot im SZ-Interview. Ihr war klar: Sie wollte ein Album mit ihm machen.
Entstanden ist Musik, die im Vergleich zu Gardots früheren Alben minimalistischer daherkommt. Eine Hommage an Paris, aber auch an die großen Autoren des „Great American Songbook“, Cole Porter und George Gershwin, sowie an Brasiliens Jazz und die alten Sambas der 1950er-Jahre. Ein nostalgischer Zauber, getragen von Gardots berauschendem Sirenengesang.
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