Die Disco-Pionierin bei uns

Grace Jones bei den Jazzopen Stuttgart – Ihre ikonischen Plattencover machten aus ihr ein Gesamtkunstwerk

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Autor/in
Lydia Huckebrink

Androgyn, sexy, futuristisch, selbstherrlich: Die Stilikone und ewige Diva Grace Jones war die popkulturelle Ausnahmeerscheinung der 1980er-Jahre und ein Gesamtkunstwerk aus Sound, Look und Image. Zusammen mit Grafikdesigner Jean-Paul Goude schuf sie so viele ikonische Albumcover wie keine andere Musikerin. Am 22.7. tritt Grace Jones bei den Jazzopen Stuttgart auf.

Albumcover Grace Jones "Nightclubbing", 1981
Mit diesem Pop-Kunstwerk, das sich längst ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat, schuf sich die Gender-Bending-Pionierin auf „Nightclubbing“ (1981) ein geradezu übermenschliches Image. Bild in Detailansicht öffnen
Albumcover Grace Jones "Slave to the Rhythm"
Furchteinflößend und überirdisch erscheint Grace Jones 1985 auch auf der Covercollage von „Slave to the Rhythm“. Das Album machte sie zum internationalen Superstar. Das Artwork ist in aufwändiger Handarbeit entstanden. Bild in Detailansicht öffnen
Albumcover Grace Jones "Island Life" 1985
Nicht von dieser Welt: Grace Jones scheint auf „Island Life“ von 1985 der Schwerkraft zu trotzen. Doch auch diese atemberaubende Pose ist eine Illusion aus der Werkstatt von Jean-Paul Goude. Bild in Detailansicht öffnen
Albumcover Grace Jones "Living my life" 1982
Der Kopf ist mit harten Kanten ausgeschnitten und neu aufgeklebt, das Pflaster zementiert den kontrastreichen Look. Das Cover von „Living my Live“ von 1982 hat viele andere Künstler inspiriert. Bild in Detailansicht öffnen

Grace Jones, der stählerne Übermensch

Das Plattencover von „Nightclubbing“ ist ein Kunstwerk für sich: kühl, bedrohlich, mit harten Konturen und futuristischem Glamour schaut Grace Jones den Betrachtenden mit strengem Blick an. Die Haut schimmert in einem stählerndem blau-schwarz.

Der Körper ist kantig, der Haarschnitt auch, die Zigarette steckt lässig zwischen den Lippen. Sie wirkt surreal. Ist das ein Mann oder eine Frau – oder überhaupt ein Mensch?

Vom Topmodel zur Disco-Ikone

Grace Jones begann ihre Karriere in den 1970er-Jahren als Model. Große Modedesiger wie Yves Saint Laurent und Fotografen wie Helmut Newton rissen sich um den eigenwilligen Glamour der androgynen Schönen.

In den späten 70er Jahren veröffentlicht sie die ersten Disco-Platten. Ihre verrauchten Vocals, die provokativen Songtexte und extravaganten Live-Auftritte etablieren sie in der New Yorker Gay-Szene.

Sie arbeitet mit namhaften Produzenten zusammen und wird zum Poster Girl eines neuen, durchgeknallten Disco-Lebensgefühls. Als Aushängeschild des legendären New Yorker VIP-Nachtclubs Studio 54, wo sie auch gerne mal nackt erschienen ist, feiert Jones laszive und exzessive Partys.

Imagewechsel mit „Nightclubbing“

Der internationale Durchbruch als Musikerin erfolgt 1981. Mit ihrem Album „Nightclubbing“ geht sie kommerziell durch die Decke. Musikalisch setzt sie neue Maßstäbe, verabschiedet sich vom in die Jahre gekommenden Disco-Sound und wendet sich Reggae, New Wave und Funk zu.

Doch es ist die Zusammenarbeit mit dem Illustrator und Designer Jean-Paul Goude, die den Imagewechsel von Grace Jones begründete. „Nightclubbing“ brachte ihr mehr als den Durchbruch zum Weltstar. Das Plattencover machte sie zur Stilikone ihrer Zeit.

Grace + Goude = Kunst

Das Cover zu „Nightclubbing“ ist das erste, das Jean-Paul Goude sich ausgedacht hatte. Grace Jones lernte Goude bereits in den 1970er-Jahren kennen, doch erst mit „Nightclubbing nahm er wesentlichen Einfluss auf Ihre Arbeit.

Er hatte die Vision, aus Grace Jones einen Charakter zu kreieren, den die Welt noch nicht gesehen hatte. „Es war mehr als nur ein Haarschnitt. Es war eine Einstellung. Es war neu und stark und zweideutig“, sagte Jean-Paul Goude.

„Man wusste nicht, ob sie ein Mann war, der versuchte, ein Mädchen zu sein, oder ein Mädchen, das versuchte, ein Mann zu sein. Es war eine Revolution.“ Jean-Paul Goude entwarf fortan nicht nur Plattencover für Jones, sondern führte auch Regie bei ihren Videoclips und half bei der Bildgestaltung. Ihre Liveshows waren keine Konzerte mehr, sondern regelrechte Kunst-Performances.

Gesamtkunstwerk Grace Jones

Gemeinsam mit Goude erschafft Grace Jones in den 80ern aus ihrer Person ein Gesamtkunstwerk in Sound, Look und Grafik. Sie ist der herrische, männermordende Übervamp, gleichzeitig ist ihre Ästhehtik eine einzige avantgardistische Pose.

Sie spielt in Filmen an der Seite von Arnold Schwarzenegger und 1985 das Bond-Girl in „Im Angesicht des Todes“ - eine Rolle, die ihr Image hervorragend untermauert.

Im selben Jahr verantwortet Goude eine Werbekampagne für den Autohersteller Citroen, die er in surrealer Futuristik inszeniert. Grace Jones setzt er darin als gigantischen Roboter perfekt in Szene.

Ultra-ikonografische Plattencover

Den Anspruch, aus Plattencovern Kunstwerke zu machen, setzt Goude auch nach „Nightclubbing“ fort. Wohl keine weitere Künstlerin geht mit so vielen ikonischen Covern in die Musikgeschichte ein wie Grace Jones.

Auf Goudes legendären Grafiken erscheint Jones als stählerne, außerirdische Majestät, auf „Slave to the Rythm“ und „Island Life“ mit anatomisch unmöglichen Gesichtszügen und Körperhaltungen. In Kleinstarbeit hat der Illustrator und Designer Goude für diese Effekte Bilder ausgeschnitten und neu zusammengeklebt – damals noch ganz ohne Photoshop.

Fotocollagen mit atemberaubender Wirkung

Für „Island Life“ zum Beispiel hat er Jones in verschiedenen Positionen fotografiert und die Bilder neu zusammengesetzt – mit atemberaubender Wirkung. Es scheint, als würde Übermensch Jones sich der Schwerkraft entziehen.

Grace Jones im Jahr 2017
Grace Jones zieht auch heute noch das Blitzlichtgewitter an

„Ich schnitt ihre Beine auseinander, verlängerte sie und drehte ihren Körper vollständig zum Publikum hin“, erklärte Goude den Prozess. „Dann begann ich zu malen und fügte all diese Teile zusammen.“

Grace Jones auf den Jazzopen Stuttgart

In den späten 80er Jahren geht es mit dem Erfolg von Grace Jones bergab. Auch wenn sie in Society-Kreisen weiterhin von sich reden macht – die Alben können weder künstlerisch noch kommerziell an den Erfolg von „Slave to the Rhythm“ anknüpfen.

Doch obwohl die Zusammenarbeit mit Jean-Paul Goude ein Ende fand, hält Grace Jones bis heute erfolgreich an ihrem Image als avantgardistische Genderbending-Pionierin fest. Ihr zuletzt erschienendes Album „Hurricane Dub“ erhielt lobende Kritiken und katapultierte sie zurück ins Rampenlicht.

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Lydia Huckebrink