Der Streit um die E-Book-Ausleihe geht weiter. 185 Autor*innen, Verlage und Buchhandlungen haben sich unter der Initiative „Fair lesen" zusammengeschlossen und appellieren in einem offenen Brief erneut an die Politik. Sie möchten die von Bibliotheken geforderte „Zwangslizensierung“ neuer E-Books verhindern.
Autor Thomas Hettche über die Initiative „Fair Lesen“:
Bisher haben Verlage die Freiheit, selbst zu verhandeln, ob und zu welchen Bedingungen sie E-Books den Bibliotheken zur Online-Ausleihe zur Verfügung stellen. Das Fachmagazin der Buchbranche Börsenblatt berichtet mit Referenz auf ein Whitepaper der Initiative „Fair lesen“, dass einige Neuerscheinungen in den ersten Monaten oft nur über den regulären Online-Verkauf erhältlich seien und erst im Anschluss über die Bibliotheken verfügbar gemacht werden. Die ersten Monate nach Veröffentlichung eines Buches seien die ökonomisch wichtigste Zeit für Autor*innen und Verlage. Die Initiative „Fair lesen“ selbst schreibt in ihrem offenen Brief hierzu:
Unterzeichnende und Kritiker*innen melden sich zu Wort
Zu den Unterstützer*innen der Initiative gehören unter anderem Maxim Biller, Benedict Wells, Daniel Kehlmann, Ferdinand von Schirach und Juli Zeh. Die Autor*in Sybille Berg erklärt etwa auf Twitter, dass es bei dem Aufruf vor allem um junge und unbekannte Schreibende gehe, die kaum von ihrer Arbeit leben könnten.
Aber auch Verleger*innen wie Philipp Keel (Diogenes), Kerstin Gleba (Kiepenheuer & Witsch), Thomas Rathnow (Penguin Random House Verlagsgruppe) und Jo Lendle (Hanser) finden sich unter den Unterzeichner*innen.
Der Deutsche Bibliotheksverband äußerte sich mittlerweile auch selbst zur Kampagne und veröffentlichte eine Stellungnahme: Der Appell der Autor*innen und Verleger*innen von „Fair lesen“ beruhe auf „Falsch- und Fehlinformationen.“
Hintergrund der Debatte
Der Deutsche Bibliotheksverband (dbv) verfasste im Januar 2021 einen offenen Brief an den Deutschen Bundestag mit der Forderung, neue E-Books ab Erscheinungsdatum per Online-Ausleihe zur Verfügung stellen zu können. Daraufhin wurden Gegenstimmen laut, die 14 Verbände des „Netzwerks Autorenrechte“ verfassten ihrerseits einen offenen Brief, in dem sie forderten, an den frei verhandelbaren Lizenzrechten für E-Books festzuhalten.
Im März 2021 hatte schließlich der Bundesrat vorgeschlagen, Verlage künftig gesetzlich zu verpflichten, E-Books ab Erscheinungsdatum den Bibliotheken für die digitale Ausleihe zur Verfügung zu stellen. Damit würde die Politik der bestehenden Forderung des Deutschen Bibliotheksverbandes nachkommen.
Es folgte daraufhin im April 2021 ein abermaliger Protest von Autor*innen und Übersetzer*innen unter anderem an die Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Angesichts der nun anstehen Koalitionsverhandlungen ist die Debatte um die Lizenzierung der E-Books für die Buchbranche nach wie vor von großem Interesse.