Viel hört man in diesen Zeiten von selbstfahrenden Autos oder von Kühlschränken, die selbstständig Milch nachbestellen. Bislang ist das alles noch Science Fiction, klar ist jedoch, dass die Vernetzung immer weiter voranschreitet. Eine ambivalente Entwicklung, die auch nicht vor unseren Städten halt macht. Die Potentiale, vor allem aber die Gefahren der digitalisierten Stadt sind das Thema des neuen Buches von Florian Rötzer.
Smartphone, Smarthome, Smartboard, Smart TV, Smartmeter, Smartgrid, Smartcard, das kleine Wörtchen "smart" leistet als Präfix wahre Wunder: tumbe Gegenstände verwandelt es in wahre Intelligenzbestien des Alltags, die für uns mitdenken und die richtigen Entscheidungen treffen. Smarthomes wissen wann wir nach Haus kommen und schalten schon mal die Heizung an, Smart TV erkennen unsere Stimme und wissen, was wir vor dem Zubettgehen schauen wollen, Smartbombs treffen nie die falschen und Smartphones sind natürlich weit mehr als Telefone, sondern kybernetische Erweiterungen unserer Sinne und unseres Geistes.
Es verwundert also nicht, dass das unscheinbare Wörtchen "smart" schon längst auch die Stadtplanung heimgesucht hat und von Konzernen und dem Stadtmarketing inflationär benutzt wird, um die Stadt der Zukunft zu beschreiben. Diese Smart Cities sind urbane Hightechwelten, in denen die Straßenlaternen erst dann aufleuchten, wenn sich eine Person nähert, in denen Verkehrsströme raffiniert erfasst und so Staus vermieden werden und in denen es umweltbewusst, nachhaltig und auch sicher zugeht. Das setzt aber, wie so häufig, wenn man es mit dem Wörtchen "smart" zu tun hat, gigantische Mengen Daten voraus, die gesammelt und verarbeitet werden müssen. Eine "smart city" ist also auch eine sehr kontrollierte, wahrscheinlich sogar eine ziemlich öde Stadt.
Auf dieses und auf viele andere Probleme weist Florian Rötzer in seinem neuen Buch "Smart Cities im Cyberwar" hin, in dem es aber zugleich en passant auch um Industrie 4.0 geht, um Wearebels, um Quantified Self, um Software, Hardware und Wetware, um Cloudcomputing, das Internet der Dinge und die Sharing-Economy und so lernt der Leser in Rötzers Buch nicht nur eine Menge über Hightech-Städte, sondern auch ungemein viel über Gegenwart und Zukunft der digitalen Gesellschaft an sich. Kein Wunder: Die Stadt einerseits und das Digitale andererseits, das sind wohl zwei der großen Lebensthemen von Florian Rötzer. Schon vor 20 Jahren hat er sich in "Die Telepolis, Urbanität im digitalen Zeitalter" mit Städten beschäftigt und "Telepolis", so heißt auch das Online-Magazin, das er 1996 gegründet hat und bei dem er seitdem als Chefredakteur tätig ist.
Rötzer ist also einer, der schon lange zu Hause ist in der digitalen Sphäre, der sich auskennt mit den Potenzialen und den Gefahren der digitalen Vernetzung. Und so schreibt er darüber, dass Smart Cities gehackt werden könnten, darüber, dass je smarter eine Stadt wird, sie auch umso anfälliger wird für Fehler; Stromunterbrechungen, Pannen, Naturkatastrophen können plötzlich ungeahnte Folgen haben.
Und natürlich sind Smart Cities auch lohnenswerte Ziele in den Kriegen der Zukunft, in denen Software manipuliert, Computersysteme sabotiert werden und kritische Infrastruktur zerstört wird. Geradezu verheerend wäre ein von Menschen herbeigeführter Angriff mit elektromagnetischen Impulsen, kurz: EMP, Flugzeuge würden vom Himmel fallen, Herzschrittmacher ihren Geist aufgeben, Telefonnetze, Maschinen, Autos, Kühlsysteme, Aufzüge, aber auch komplette Armeen wären plötzlich lahmgelegt – der Blackout als Super-GAU. Eine EMP-Waffe passt in einen Koffer, einmal ausgelöst würde aus einer Smart City dann etwas ganz und gar unsmartes werden: Eine Falle nämlich.
Vielleicht ereilt manche Smart City aber auch ein weitaus banaleres Schicksal: Es zeichnet sich ab, dass die ein oder andere Smartcity bereits veraltet sein könnte, sobald sie fertig gebaut wurde, so ähnlich wie wenn man sich heute einen Laptop kaufen würde, der dann aber erst in zehn Jahren ausgeliefert wird und auf dem dann kein aktuelles Programm mehr läuft.
Was also tun? An dieser Stelle lässt Florian Rötzer seine Leser etwas ratlos zurück. Am ehesten plädiert er für offene Strukturen und dafür, mehr Bewusstsein zu schaffen, für die Verletzlichkeit der Smart Cities. Nichtsdestotrotz ist ihm mit seinem neuesten Werk ein aufregender, extrem informativer, im besten Sinne "smarter" Ausblick in die Gesellschaft der Zukunft gelungen.