In den vergangenen Jahren haben sich die Erlebnisberichte von Menschen, die von einem anderen Kontinent als Adoptivkinder in deutsche Familien hineingekommen sind, gehäuft. Nicht immer waren sie, um es vorsichtig auszudrücken, geprägt von Dankbarkeit. Ulrike Draesner gilt als eine der versiertesten deutschsprachigen Schriftstellerinnen der Gegenwart. Sie weiß, was sie tut, wenn sie ein Thema wie dieses in den Blick nimmt.
„Ich erzähle die Geschichte eines großen Glücks. Der Weg dorthin ist voller Verwandlungen. Er hat alles zu bieten, was wir aus Familien so kennen. Familien sind Räume der Intimität, der Enttäuschung, manchmal der Gewalt, des Verrates, aber auch der Nähe, der Seligkeit – und der Komik. Und der unglaublichsten Überraschungen.“ So sagt es die Autorin in einem Interview mit ihrer Lektorin. „zu lieben“ beginnt damit, dass ein deutsches Paar ein dreijähriges Mädchen aus Sri Lanka adoptiert und dort abholt, um es nach Europa zu bringen.
Die Komplikationen, die ein solcher Schritt mit sich bringt, in jeglicher Hinsicht, kennt Ulrike Draesner aus eigener Anschauung, denn wie sie erzählt, ist es zumindest in Teilen eine autobiografische Geschichte vom Zusammenprall zweier Kulturen. Aber auch ein genau beobachtetes Buch darüber, wie Liebe sich tatsächlich entwickelt. Nicht zuletzt reflektiert Ulrike Draesner darüber, wie auch in einem aufgeklärten Menschen das Bewusstsein für die eigenen Privilegien erst langsam reift.
Buchkritik Ulrike Draesner – zu lieben
Ulrike Draesner und ihr damaliger Mann reisen nach Sri Lanka, um ein kleines Mädchen zu adoptieren. Ein kluges Buch darüber, was Familie alles sein kann.
Rezension von Katja Weise
Literatur SWR Bestenliste Dezember
Die SWR Bestenliste empfiehlt seit über 40 Jahren verlässlich monatlich zehn lesenswerte Bücher, unabhängig von Bestsellerlisten. Nicht die Bücher, die am häufigsten verkauft werden, bestimmen die Liste, sondern eine Jury, bestehend aus 30 namhaften LiteraturkritikerInnen, wählt die Bücher aus, denen sie möglichst viele LeserInnen wünscht.