Monika Zeiner wagt in ihrem zweiten Roman den großen Wurf: Knapp 700 Seiten und fünf Generationen einer Familie vom Wilhelminischen Kaiserreich bis ins Jahr 2014 nimmt sie in den Blick, und damit sämtliche Verdrängungen der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Nikolas Finck, ein Mann Anfang vierzig, kommt nach vielen Jahren zurück in sein Elternhaus: die Villa Sternbald, in der Nähe von Nürnberg gelegen.
Er will nur eine Woche bleiben, Anlass ist der 103. Geburtstag seines Großvaters. Nikolas verbringt dann aber ein ganzes Jahr in der alten Heimat, gräbt sich in die Familienchroniken hinein, trifft alte Lieben und alte Freunde, vergisst die Zeit.
Ja, stimmt, das klingt nach „Zauberberg“, aber „Villa Sternbald“ ist vielmehr als bloß eine Reprise. Ein anspielungsreicher und literaturgesättigter Roman über eine Familie, die ihren Reichtum mit Schulmöbeln in der Kaiserzeit begründet und das Imperium im Nationalsozialismus ausgebaut hat, als der Großvater die Fabrik einer befreundeten jüdischen Familie im Zuge der Zwangsarisierung übernahm.
Monika Zeiner wühlt tatsächlich im intellektuellen Urschlamm des deutschen Bildungsbürgertums von Martin Luther über Kant und Nietzsche bis hin zu Wagner. Wir lernen: Man kann auch hochgebildet und mit Kant unter dem Arm sechs Millionen Juden ermorden.
Literatur SWR Bestenliste Dezember
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