Mit einem Auszug aus ihrem Debütroman gewann die 1996 geborene Dana Vowinckel vor zwei Jahren den Deutschlandfunkpreis bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt. Vowinckel ist die Tochter eines amerikanischen Juden und einer deutschen Protestantin. Im Alter von elf Jahren konvertierte sie zum Judentum – eine Entscheidung, die sie, wie sie es erzählt hat, getroffen habe, um ihren amerikanischen Großeltern einen Gefallen zu tun.
Diese biografischen Details sind von Bedeutung, denn genau davon, wie eine junge Frau sich in der heutigen Zeit und in einem internationalen Kontext zu ihrem Glauben und zum Jüdischsein verhalten kann, erzählt „Gewässer im Ziplock“ auf eine denkbar unaufdringliche, aber stets reflektierte Art und Weise. Die Hauptfigur heißt Margarita und ist 15 Jahre alt. Sie wächst in Berlin auf; ihr Vater Avi leitet die Gebete in der Synagoge. Marsha, die amerikanische Mutter, hat die Familie vor rund zehn Jahren verlassen. Margarita kennt den Alltag einer jungen Jüdin in Deutschland; sie weiß, was Antisemitismus bedeutet und wie er sich manifestiert.
Dana Vowinckel gelingt es, eine adoleszente Hauptfigur in all ihren Facetten und mit Witz zu inszenieren: Margarita ist schlagfertig, klug und belesen, aber auch schnell gekränkt und zieht sich dann ins Schweigen zurück. Die Mutter lebt mittlerweile in Israel, und dorthin reist Margarita, um Marsha neu und besser kennenzulernen. Die Reise durch Israel ist konfliktgeladen, und als in Chicago die Großmutter erkrankt, bekommt die instabile Familiensituation noch einmal eine neue Dynamik. Ein moderner jüdischer Roman und das Buch einer Selbstfindung.
Gespräch Dmitrij Kapitelman über Anthologie „Wir schon wieder. 16 jüdische Erzählungen“
Im Band, den Dana von Suffrin gerade herausgegeben hat, stellt sie sich vor, wie ihre 16 Autorinnen und Autoren in einem Zimmer sitzen und streiten. Einer davon: Dmitrij Kapitelman
Hörbuch Wütend: Lili Zahavi und Jaron Löwenberg lesen „Gewässer im Ziplock“ von Dana Vowinckel
Margarita ist 15 und als ob das nicht schon Herausforderung genug wäre, kommt noch Einiges dazu: Ihr jüdisches Leben in Berlin bei ihrem alleinerziehenden Vater, ihre Ferien bei den Großeltern in den USA, die unverhofft zu einem Aufenthalt bei ihrer Mutter in Israel werden. Denn Margarita soll ihre Mutter, die die Familie vor langem verlassen hat, besser kennenlernen. Dana Vowinckel erzählt die Geschichte einer zerrissenen Familie aus zwei Perspektiven, die im Hörbuch jeweils eigene Stimmen bekommen: Lili Zahavi ist eine sehr glaubwürdig pubertierende Margarita, und Jaron Löwenberg verkörpert den Vater Avi, der trotz all seines Strauchelns eine souveräne Figur abgibt. Ein nicht nur mehrstimmiges, sondern auch inhaltlich vielschichtiges Hörerlebnis, das zum Nachdenken anregt und manchmal auch zum Widerspruch.
Literatur SWR Bestenliste Dezember
Die SWR Bestenliste empfiehlt seit über 40 Jahren verlässlich monatlich zehn lesenswerte Bücher, unabhängig von Bestsellerlisten. Nicht die Bücher, die am häufigsten verkauft werden, bestimmen die Liste, sondern eine Jury, bestehend aus 30 namhaften LiteraturkritikerInnen, wählt die Bücher aus, denen sie möglichst viele LeserInnen wünscht.