Krieg, Vertreibung und Flucht waren bereits zentrale Themen in Ulrike Draesners 2020 erschienenen Roman „Schwitters“, in dem sie das wissenschaftlich bereits breit erforschte Leben des Dadaisten Kurt Schwitters als eine Reihe von Abbrüchen, Neuanfängen und schicksalhaften Verzweigungen erzählte. Zugleich zeigt sich in jedem Roman der 1962 geborenen Schriftstellerin, dass sie auch eine Lyrikerin ist.
Mit „Die Verwandelten“ zielt Draesner nicht nur im Umfang von rund 600 Seiten, sondern auch in ihrem Anspruch auf den großen Wurf. Sie erzählt eine komplexe Familiengeschichte zwischen Deutschland und Polen über mehrere Generationen hinweg.
Alissa ist in einem nationalsozialistischen Lebensborn geboren und von einer linientreuen Familie adoptiert worden. Lange nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus begibt sie sich auf die Suche nach ihrer wahren Herkunft und stößt auf einen gesellschaftlichen Skandal, der unter der Decke gehalten wurde. Es ist Alissas Tochter Kinga, die nach dem Tod ihrer Mutter in Polen auf Walla trifft, die, wie sich herausstellt, mit Alissa im gleichen Haushalt aufgewachsen ist. Auch ihre Geschichte ist traumatisch: Im Alter von 16 Jahren floh Walla vor den Russen und wurde auf der Flucht vergewaltigt.
Die Biografien der beiden Frauen integriert Draesner in ein weitverzweigtes Netz von Erzählungen. Ihre Schilderungen sind dezent, ihre Bilder dafür umso origineller. Es geht auch darum, wie weibliche Identität sich in der großen Zerstörungsmaschine des 20. Jahrhunderts behaupten kann. Und welche Prägungen dafür entscheidend sind.
Literatur SWR Bestenliste November
Die SWR Bestenliste empfiehlt seit über 40 Jahren verlässlich monatlich zehn lesenswerte Bücher, unabhängig von Bestsellerlisten. Nicht die Bücher, die am häufigsten verkauft werden, bestimmen die Liste, sondern eine Jury, bestehend aus 30 namhaften LiteraturkritikerInnen, wählt die Bücher aus, denen sie möglichst viele LeserInnen wünscht.
lesenswert Quartett Ulrike Draesner: Die Verwandelten
Den Roman von Ulrike Draesner "Die Verwandelten" stellt in diesem lesenswert Quartett die freie Literaturkritikerin Insa Wilke vor.
Buchkritik Ulrike Draesner – Schwitters
Die 1962 geborene Ulrike Draesner gehört zu den profilierten Autorinnen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur: Ihre Tätigkeit als Literaturwissenschaftlerin gab sie zugunsten einer Tätigkeit als freie Autorin auf, ist seitdem als Lyrikerin, Essayistin und Romanautorin sehr erfolgreich und hat in den vergangenen Jahren immer wieder hochdotierte Preise gewonnen. Seit April 2018 ist Ulrike Draesner Professorin für Deutsche Literatur und literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut der Universität Leipzig. Mit „Schwitters“ beschreitet die Autorin nun ein neues Feld: das des Künstlerromans. Mit ihrem fast 500 Seiten starken Roman „Schwitters“ widmet sie sich dem Exilleben eines der prominentesten Mitglieder der DADA-Bewegung, dem 1887 geborenen Schriftsteller und Bildenden Künstler Kurt Schwitters.
Rezension von Beate Tröger.
Penguin Verlag
ISBN: 978-3-328-60126-5
480 Seiten
25 Euro
Buchkritik Ulrike Draesner - Kanalschwimmer
In Ulrike Draesners neuem Roman "Kanalschwimmer" sucht ein Mann in einer Extremsituation nach Erkenntnis und Wahrheit - und erfährt dabei die Natur als unhintergehbare Macht und sich selbst an der Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit, bedrohlicher Trance und schärfster Wahrnehmungsfähigkeit.
Rezension von Ulrich Rüdenauer.
Mare Verlag
ISBN 978-3-86648-288-3
76 Seiten
20 Euro