„Taube und Wildente“, das ist ein Bild des Künstlers Otto Schloderer aus dem späten 19. Jahrhundert. Es gehört Marjorie, einer der Hauptfiguren in Martin Mosebachs neuem Roman. Geerbt hat sie es von ihrem Vater, doch sie, die keinen Sinn für Kunst hat, möchte das Bild verkaufen, ganz im Gegensatz zu ihrem Mann Ruprecht. Für Marjorie spielt Geld keine Rolle; sie hat das Vermögen der Familie übernommen, das aus eher zwielichtigen Quellen und aus der deutschen Kolonialzeit stammt.
Martin Mosebach ist ein Meister des fein ausgemalten gesellschaftlichen Tableaus, und auch in seinem neuen Roman führt er in sprachlich elaborierter Weise Konflikte, Intrigen und Selbstbetrug innerhalb der vermeintlich feineren Gesellschaft vor. Wie jedes Jahr verbringt die Familie den Sommer in der Provence. Und es brodelt unter der großbürgerlichen Oberfläche: Marjorie hat ein Verhältnis mit dem Verwalter des Anwesens. Ihre Taktlosigkeiten, so heißt es, „wurden dadurch erträglich, daß sie das, was für andere peinlich sein mochte, mit einer Ruppigkeit äußerte, die anästhesierend wirkte.“
Der Roman wimmelt von solch scharfen Beobachtungen. Ruprecht wiederum, der einen kleinen Verlag betreibt, erwartet seine Mitarbeiter zu einer Besprechung. Die wiederum wollen ihn aus dem Verlag drängen, was Ruprecht nicht weiß. Paula, Marjories Tochter aus erster Ehe, reist mit Freund und Kind an. Ruprecht und Paula haben ein Verhältnis.
Nichts ist, wie es scheint. Den Ehestreit um das Gemälde führt Mosebach in ein dramatisches Schlussszenario hinein. Bis dahin hat man das treffliche Sittenbild einer gierigen und gewissenlosen Gesellschaft gelesen. Dekadenz in Reinkultur.
Literatur SWR Bestenliste Dezember
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