Wer braucht die Meerwalnuss? Wenn es nach der Mehrheit der Menschen geht, die überhaupt wissen, was das ist: niemand. Das possierliche Tierchen gibt es tatsächlich, und der Genauigkeit halber sei festgehalten, dass es sich dabei um eine Unterart der Rippenquallen aus der Ordnung der Lobata handelt.
Die Meerwalnuss nimmt das Futter zu sich, das Fische gut gebrauchen könnten. Um zu überleben, frisst sie auch gerne mal ihre eigene Nachkommenschaft auf. Und eklig ist die Meerwalnuss auch noch, weil schleimig und damit nicht eben tourismusfreundlich. Wer begegnet so etwas schon gerne beim Schwimmen im Meer?
Luise, die Protagonistin von Marie Gamillschegs zweitem Roman, ist von Beruf Meeresbiologin. Sie erforscht bereits seit Jahren die ungeliebte Spezies der Meerwalnüsse und bemüht sich um Differenzierung.
Dem derzeit omnipräsenten Thema von weiblicher Körperlichkeit gibt Gamillscheg einen interessanten Turn, indem sie Luise den Quallentieren jenes Körperbewusstsein zuspricht, verbunden auch mit einer gewissen Eleganz, das dem Menschen angeblich abhanden gekommen ist.
Luise ist erfolgreich, aber in permanenter Konkurrenz. Und als sie in ihre Heimatstadt Graz reist, ist sie zudem gezwungen, ihre Beziehung zu ihrem Vater neu zu bewerten. In Gamillschegs suggestiver Sprache verschwinden die Gewissheiten und die Realitätsebenen. Klar ist aber: Nicht nur die Meerwalnuss ist ein rätselhaftes, undurchdringliches Wesen.
Literatur SWR Bestenliste Dezember
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