Im Oktober wird die Österreicherin Monika Helfer 75 Jahre alt, und in diesem (vergleichsweise) hohen Alter hat sie mit ihren Romanen „Die Bagage“, „Vati“ und nun „Löwenherz“ tatsächlich eine Art des autofiktionalen Schreibens gefunden, die auf literarisch hohem Niveau das Herz des Publikums erreicht. Helfers Bücher sind anrührend, aber unsentimental; sie sind kurz, präzise, aber nicht auf eine verkünstelte Art lakonisch. Und sie sind reflexiv und trotzdem erzählerisch mitreißend.
In „Vati“, dem vorangegangen Buch, teilt der Vater, der der Erzählerin stets ein großes Rätsel geblieben ist, die Kinder nach dem Tod seiner Ehefrau, auf die Verwandtschaft auf und zieht sich selbst zunächst einmal aus der Welt zurück.
Aus der unmittelbaren Nachkriegszeit des Vorgängers tritt „Löwenherz“ nun in eine neue historische Epoche ein. Die zeitgeschichtlichen Umstände sind in Helfers Romanen stets der Nährboden für die Atmosphäre. Sie schwingen mit, doch vor sie tritt der Mensch. In diesem Fall Richard, der Bruder der Erzählerin, der zu Beginn des Romans von einer schwangeren Frau namens Kitti aus dem Wasser gerettet wird.
Richard, der von Beruf Schriftsetzer wird, muss plötzlich gegen alle Neigungen Verantwortung übernehmen. Er kümmert sich um ein Kind, das die Mutter ihm Monate später wieder entreißt.
Ein zartes, aber auch ein bedrückendes Erinnerungsbuch, in dem Monika Helfer mit Zielsicherheit die Wendepunkte in den Existenzen ihrer Figuren kenntlich macht.
Buchkritik Monika Helfer – Löwenherz
Nach Monika Helfers autobiographischen Bestsellern „Die Bagage“ und „Vati“ schreibt die österreichische Schriftstellerin in ihrem neuen Erinnerungsbuch „Löwenherz“ über ihren Bruder Richard. Die Geschichte eines liebenswerten Sonderlings, der mit 30 Jahren Suizid beging, und der Abgesang auf eine Gesellschaft, in der Lebenswege abseits der Norm kaum eine Chance haben.
Rezension von Carsten Otte.
Carl Hanser Verlag 2022, 191Seiten, 20 Euro
ISBN: 978-3-446-27269-9
Literatur SWR Bestenliste Dezember
Die SWR Bestenliste empfiehlt seit über 40 Jahren verlässlich monatlich zehn lesenswerte Bücher, unabhängig von Bestsellerlisten. Nicht die Bücher, die am häufigsten verkauft werden, bestimmen die Liste, sondern eine Jury, bestehend aus 30 namhaften LiteraturkritikerInnen, wählt die Bücher aus, denen sie möglichst viele LeserInnen wünscht.
Buchkritik Monika Helfer – Vati
Nach ihrem Bestseller „Die Bagage“ erkundet Monika Helfer weiter die eigene Familiengeschichte. Ihr „Vati“ ist ein verwitweter Kriegsversehrter, der Bücher liebt. Der Roman erzählt von der Hoffnung der Nachkriegsgesellschaft auf ein besseres Leben, aber auch von sprachlos machenden Lebenslügen.
Rezension von Carsten Otte.
Hanser Verlag, 176 Seiten, 20 Euro
ISBN: 978-3446269170
Buch der Woche | Corona-Bibliothek Monika Helfer - Die Bagage
Monika Helfer erkundet in ihrem Roman „Die Bagage“ familiäre Lebenswege, vor allem das Schicksal einer Landfrau in Zeiten des Ersten Weltkriegs und beeindruckt dabei mit einer ebenso sensiblen wie klugen Erzählweise.
Rezension von Carsten Otte.
Hanser Verlag
ISBN 978-3-446-26562-2
160 Seiten
19 Euro