Ob die Venus von Botticelli, die Karikatur der sogenannten Hottentottenvenus oder Angela Merkels Dekolleté bei einem Opernbesuch - der Busen ist seit Jahrhunderten ein beliebtes Streitobjekt. Die Kunsthistorikerin Anja Zimmermann hat der Geschichte des Politikums Brust nachgespürt.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahmen die Suffragetten nicht nur den Kampf für das weibliche Wahlrecht auf – gleichzeitig forderten sie ihre Geschlechtsgenossinnen auf, das Korsett abzulegen. Das Einschnüren von Taille und Brust war nicht nur unbequem, sondern auch ein Symbol für die fehlende Gleichberechtigung der Frau. Der Busen war damit in den Fokus der politischen Auseinandersetzung geraten.
Nicht zum ersten Mal, hat die Kunsthistorikerin Anja Zimmermann von der Uni Oldenburg herausgefunden. In ihrem Buch „Brust. Geschichte eines politischen Körperteils“ hat sie historische Belege dafür zusammengetragen und stützt sich dabei vor allem auf Kunstwerke. Zwar hat sich die feministische Diskussion immer mal wieder mit dem Korsett befasst, doch eine systematische Aufarbeitung der Sicht auf die weibliche Brust im Laufe der Geschichte fehlte bislang. Zimmermann schließt die Lücke.
Wechselnde Zuschreibungen für die weibliche Brust über die Jahrhunderte
Die Einstellung zur weiblichen Brust hat sich über die Jahrhunderte immer wieder geändert. Und es war nie der Busen als solcher, der die Gemüter - übrigens bis heute - erregt, sondern das, was ihm gesellschaftlich gerade zugeschrieben wird: Mal steht er für Weiblichkeit, mal für Sexualität, dann wieder für Natürlichkeit oder für Mütterlichkeit. Und Brust ist nicht gleich Brust: Die stillende Mutter Maria war im 16. Jahrhundert ein Bild zur religiösen Erbauung, der nackte Busen der Luxuria dagegen symbolisierte die Wollust, eine der sieben Todsünden.
Man mag annehmen, dass zumindest das Stillen nie in Frage gestellt worden sein dürfte. Falsch: Bis Mitte des 18. Jahrhunderts galt es in der Oberschicht als nicht schicklich, da es dem Busen als sexuellem Objekt abträglich war. Es war Rousseau, also ein Mann, der mit einer politischen Kampagne um der Volksgesundheit willen das Stillen salonfähig machte. Nun wurde es zum Symbol für Mutterliebe.
Die Brust als Politikum
Es war durchgängig der männliche Blick, der bestimmte, wozu der Busen in der öffentlichen Wahrnehmung gerade herhalten musste, das arbeitet Zimmermann klar heraus. Dass sich daran nicht viel geändert hat, belegt für die Autorin die Aufregung um ein Foto von Angela Merkel in der Osloer Oper 2008, auf dem sie mit tiefem Dekolleté abgelichtet wurde.
In den Medien wurde damals gefragt, ob eine Kanzlerin sich so zeigen dürfe. Zimmermann fühlt sich da an die strengen Kleiderordnungen des 13. Jahrhunderts erinnert. Kleiderdiskussionen, so stellt sie fest, rankten sich bis heute fast immer um weibliche Kleidung – um den ersten Hosenanzug einer Frau im Deutschen Bundestag, den Burkini oder das Kopftuch.
Kunsthistorikerin Zimmermann widmet sich ausführlich der Venus von Boticelli von 1478 als dem Idealbild der Frau, das künftig immer wieder als Referenz herangezogen werden sollte. Was zugleich eine Abwertung aller Körper bedeutet, die diesem Ideal nicht nahekommen. Die sogenannte Hottentottenvenus – eine Karikatur der schwarzen Südafrikanerin Sarah Baartman vom Beginn des 19. Jahrhunderts – wurde wegen ihres großen, schlaffen Busens und ihres Fettsteißes für rassistische Zwecke missbraucht: Sie stand lange als angeblicher Beweis für die vermeintliche Hässlichkeit schwarzer Menschen. Wie die Amazonen, die sich bekanntlich die rechte Brust verstümmelten, um besser mit Pfeilen schießen zu können, sind auch die nackten Brüste von Uschi Obermaier als Ausdruck des Protests der 68er-Generation Thema des Buches.
Behutsamer Wandel?
Auch wenn der weibliche Körper immer noch Projektionsfläche männlicher Botschaften sei – so stellt Zimmermann dennoch einen vorsichtigen Wandel fest, wenn jetzt gefordert werde, in Schwimmbädern nicht mehr zwischen männlicher und weiblicher Brust zu unterscheiden.
Bleibt anzumerken, dass Zimmermann meistens allgemeinverständlich schreibt, jedoch ein Minimum an kunstgeschichtlichem Wissen voraussetzt. Aber Wikipedia hilft da weiter. Ach ja: Ihr Wunsch für die Zukunft soll hier nicht verschwiegen werden: Dass der Busen einfach nur rumhängen darf.