Immer neue Wörter schießen, brodeln und ploppen hervor aus der Alltagssprache. Annette Klosa-Kückelhaus vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache, Sandra Richter vom Literaturarchiv Marbach, Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen und weiteren Expert*innen erklären, was die Neuschöpfungen bedeuten.
Wort der Woche „Ich bin fein damit" - erklärt von Bernhard Pörksen
Wie selbstverständlich schleichen sich immer öfter Anglizismen geschmeidig in unsere Sprache ein, Wörter wie „cool" oder „Cookies" gehören schon zu unserem Alltagsgebrauch. Aber es kommt auch vor, dass englische Wörter eingedeutscht werden. „Ich bin fein damit" ist solch ein Beispiel aus der Jugendsprache, das auch in der People-Presse und auf Social-Media zu finden ist. Und das sich durch den Einzug in den allgemeinen Sprachgebrauch bereits wieder aus der Jugendsprache zurückzuziehen scheint.
Eigentlich ist das englische „I'm fine with that“, auf das die deutsche Formulierung wohl anspielt, nicht korrekt übersetzt. „Ich bin einverstanden“ müsste man vielmehr sagen. Und dennoch weiß man sofort: „Ich bin fein damit" ist der sprachlich etwas ungelenke Ausdruck der Zustimmung oder Übereinstimmung. Der Medienwissenschaftler Prof. Bernhard Pörksen sieht in der Dominanz des Englischen einen unglaublichen Motor der sprachlichen Transformation.
Wort der Woche Mikrojob – erklärt von Annette Klosa-Kückelhaus
Wer sich ein Zubrot bis 538 Euro verdienen möchte, kann mit einen Minijob annehmen. Für diese gering entlohnte Beschäftigung muss nach deutschem Recht kein Arbeitslosen-, Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsbeitrag bezahlt werden. Beim Midijob hingegen müssen Beiträge abgeführt werden und der Verdienst darf zwischen 538 bis 2000 Euro liegen. Ob Mini- oder Midijob, beides ist nicht zu verwechseln mit dem Mikrojob. Wo dieser Begriff herkommt und was es damit auf sich hat, das erläutert Annette Klosa-Kückelhaus vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim.
Wort der Woche Chuzpe - erklärt von Sandra Richter
Wenn wir jemandem Dreistigkeit vorwerfen, dann ist die Sache eigentlich klar: das meinen wir eindeutig kritisch. Anders kann es sich verhalten, wenn wir jemandem Chuzpe zuschreiben. Da können nämlich Ehrfurcht und Respekt mitschwingen – vielleicht auch ein Schmunzeln. Denn die vorgebrachte Frechheit besitzt durchaus Charme. Prof. Sandra Richter, Direktorin des Deutschen Literaturarchivs in Marbach, outet sich im Gespräch als große Anhängerin des Wortes Chuzpe, das aus dem Hebräischen (Chuzpa), aber auch aus dem Jiddischen (Chuzpe) stammt.
Wort der Woche von A bis Z
Wort der Woche Gardinenpredigt - erklärt von Sandra Richter
Der Begriff der Gardinenpredigt reicht zurück bis ins ausgehende 17. Jahrhundert und hat sich in der Literatur und in bildlichen Darstellungen fortgesetzt. Die Gardine selbst bezieht sich auf den Vorhang, der früher die Schlafstätte von Mann und Frau der Sicht von außen entzog. Kam der Ehemann zu spät oder angetrunken nach Hause, hielt ihm seine Frau der Überlieferung nach eine „Gardinenpredigt". Die negative Rolle der auf den Mann wartenden, zänkischen Ehefrau bewertet Sandra Richter als antifeministisch und sie plädiert dafür, dem Begriff Gardinenpredigt kritisch zu begegnen.
Wort der Woche Genderfluid - erklärt von Annette Klosa-Kückelhaus
Im Zuge der umfassenden Diskussionen der letzten Jahre um Diversität und um ein neues Verständnis von Geschlechtsidentität sind immer wieder neue Wortbildungen zu beobachten. Eines dieser Worte ist „genderfluid“, das verstärkt seit Mitte der Zehnerjahre vornehmlich von der jüngeren Generation gebraucht wird. Der Begriff umschreibt, dass sich jemand nicht ausschließlich binär orientiert, sondern die eigene Geschlechtsidentität in Abhängigkeit von Situationen, Lebensumständen o.Ä. wechselnd - fließend - empfindet.
Wort der Woche Geschlechtergerechte Sprache
Eine "geschlechtergerechte Sprache" soll im Sprachgebrauch die Gleichstellung von Frau und Mann zum Ausdruck bringen. Dabei gibt es die Möglickeit explizit beide Geschlechter zu nennen, etwa "Studentinnen und Studenten" oder einen geschlechtsneutralen Ausdruck, wie "Studierende" zu verwenden. Prof. Eichinger über die Theorie und Praxis dieser Formulierungen.
Wort der Woche Ghosting - erklärt von Bernhard Pörksen
Es ist ein merkwürdiges Phänomen: nach einer engeren Verbindung zwischen zwei Menschen herrscht von einem Moment zum anderen Funkstille. „Ghosting" heißt das auf Neudeutsch, wenn ein vermeintlich Vertrauter plötzlich den Kontakt abbricht und keinerlei Erklärung hinterlässt, um sich einer Auseinandersetzung zu entziehen. Ein Symptomwort für die totale Unberechenbarkeit im Beziehungsleben.
Wort der Woche Gierflation - erklärt von Annette Klosa-Kückelhaus
Die Kugel Eis, die Butter im Supermarkt oder das Brötchen beim Bäcker, alles wird teurer. Hängt das tatsächlich mit gestiegenen Herstellungskosten zusammen oder will sich da vielleicht jemand nur die Taschen auf Kosten des Verbrauchers füllen? In diesem Zusammenhang ist seit einigen Jahren von der Gierflation die Rede. Ein Wort, das nicht nur in der Presse, sondern auch in den sozialen Medien zu finden und längst in der Alltagssprache angekommen ist.
Obwohl der Begriff Gierflation eindeutig negativ konnotiert ist, weil in ihm Maßlosigkeit mitschwingt, will Annette Klosa-Kückelhaus vom Leibnitz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim aber nicht von einem Kampfbegriff sprechen.
Wort der Woche Gottesgeißel - erklärt von Sandra Richter
Eine Geißel ist ein Schlag- oder Folterinstrument, das vor allem in der Antike und im Mittelalter als Mittel der Züchtigung verwendet wurde. Im übertragenen Sinne bezeichnet das Wort etwas, das Unheil oder Leid verursacht: Krankheiten, Krisen, Pest oder Naturkatastrophen.
Metaphorisch wird das Wort Gottesgeißel auch als Werkzeug oder Strafe Gottes betrachtet, um Menschen für ihre Sünden zu bestrafen und sie zur Buße zu bewegen. Warum der Begriff heute kaum noch benutzt wird, das erklärt Prof. Sandra Richter, Leiterin des Deutschen Literaturarchivs Marbach.
SWR Kultur am Samstagnachmittag
Samstagnachmittag - Wochenende: Endlich Zeit für Dinge, für die sonst keine Zeit bleibt: Besuche bei Künstlern, Schriftstellern und Musikern, Literatur zum Lesen und Hören, DVDs und Blu-rays, Mode und Design, neue CDs vom Klassikmarkt. Dies alles begleitet von einer ungewöhnlichen Mischung von Musikgenres und -Stilen, von Klassik, Pop und Jazz.