Mehr als 200.000 User*innen weltweit haben bislang auf TikTok den Hashtag #WomenInMaleFields gepostet. Frauen kommentieren so in kurzen Clips sexistische und diskriminierende Sätze, die sie von Männern zu hören bekommen haben – um den Spieß umzudrehen. Generell seinen feministische Themen gerade im Netz am Trenden, meint die Genderexpertin Katja Kauer.
Das größte Hindernis auf dem Weg zur Kanzlerschaft? Das Frausein
„Eine Frau zu sein.“ – Die Antwort von Angela Merkel ist eindeutig, als Journalistin Anne Will sie fragt, welches der größere Hindernis auf dem Weg ins Kanzleramt gewesen sei: ostdeutsch oder eine Frau zu sein.
Eine Frau zu sein und dazu noch eine mächtige im männerdominierten Politbetrieb – um nicht zu sagen in einer männerdominierten Gesellschaft – sei für sie schwierig gewesen und in den 16 Jahren ihrer Kanzlerschaft die größte Herausforderung, so Merkel.
Jagoda Marinić über die Merkel-Autobiografie „Freiheit“
Wenn das Geschlecht ein Hindernis im Alltag der mächtigsten Frau der Welt war, wie muss es sich dann für all die anderen Frauen anfühlen, die weit weniger Einfluss haben?
#WomenInMaleFields: Ironischer Umgang mit negativen Erfahrungen
In letzten Tagen kursieren auf sozialen Medien wie TikTok und Instagram unzählige Videos mit dem Hashtag #WomenInMaleFields, also auf Deutsch so etwa wie „Frauen in Männerdomänen“.
Zahlreiche Frauen nutzen den Hashtag, um ironisch ihre negativen Erfahrungen mit geschlechterspezifischer Diskriminierung, etwa beim Dating oder am Arbeitsplatz, zum Ausbdruck zu bringen, insbesondere bei Berufen in männerdominierten Bereichen.
Kommentar zu toxischem und sexistischem Verhalten
Dabei greifen sie oft sexistische Kommentare auf, mit denen sie konfrontiert werden. So fragt etwa eine Polizistin auf TikTok sarkastisch einen hypothetischen Mann, ob er in seinem Beruf ernst genommen werde, obwohl er nicht wie ein typischer Polizist aussehe.
Der entscheidende Punkt findet sich jedoch in der Textzeile zum Video. Darin geben die Posterinnen vor, selbst toxische Dating-Verhaltensweisen an den Tag zu legen und sexistische Kommentare abzulassen. So auch die Polizistin, die in Richtung Männer vermeintlich scherzhaft fragt: „Kannst du mich festnehmen?“.
Solche Verhaltensweisen werden üblicherweise Männern zugeschrieben und durch die Frauen ironisch umgedreht. So können die Frauen auf alltägliche Diskriminierung und die ungleichen Dynamiken aufmerksam machen.
Nicki Minajs „Anaconda“ als Hymne
All diese Videos sind mit Nicki Minajs Song „Anaconda“ aus dem Jahr 2014 unterlegt. Im Song übte die trinidadische Rapperin Kritik an der Sexualisierung von Körpern in der Gesellschaft und der Musikindustrie.
Gleichzeitig solle er Frauen weltweit dazu ermutigen, ihre eigenen Kurven und generell jegliche Art von Körper zu akzeptieren. Man müsse selbstbewusst zu seiner eigenen Haut stehen, erklärte die Künstlerin in einem auch auf TikTok veröffentlichen Interview.
Entlarvung eines patriarchalischen Systems
Der Online-Trend erfährt eine starke Resonanz, weil er grundlegende Probleme im Umgang mit Frauen und weiblich gelesenen Personen aufzeigt. Viele Kommentare unter den Videos zeigen, dass sich Frauen durch die Sichtbarmachung der Missstände verbunden und somit weniger allein fühlen. Es ist die Entlarvung eines patriarchalischen Systems.
Einige Kommentare unter den Videos lauten etwa: „Der Trend darf niemals enden.“ oder „Haben wir alle den gleichen Mann gedatet?“ oder „Einerseits liebe ich diesen Trend, andererseits macht es mich traurig, dass wir Frauen uns mit so vielen Videos identifizieren können“.
Der Trend-Feminismus kratzt lediglich an der Oberfläche
Bis jetzt haben den Hashtag #WomenInMaleFields auf TikTok mehr als 200 Tausend User*innen weltweit verwendet. Erfreulich findet das auch Katja Kauer. „Wir leben in einem Diskurs, in dem feministische Botschaften in sind“, kommentiert die Genderexpertin, die derzeit eine Vertretungsprofessur am Tübinger Zentrum für Gender- und Diversitätsforschung innehat.
An sich finde sie gut, dass feministische Themen „en vogue“ seien und viele Frauen sich damit auseinandersetzen. Es sei begrüßenswert, so Kauer, dass solche Phänomene auch ihre Legitimation finden. Dennoch brauche es etwas mehr Tiefe, um tatsächlich patriarchalische Strukturen zu dekonstruieren.
Was man jedoch nicht überdenken müsse, sei das Medium, in dem man die feministischen Botschaften platziert, betont die Expertin. Auch die #MeToo-Bewegung habe ihren Start in den sozialen Medien gefunden und gesellschaftlich viel ins Rolle gebracht.
Das Problem des Trends sei es, dass „ er eine Form der Kritik ist, die an der Oberfläche bleibt und nicht zu einem tieferen Nachgehen anregt“, so die Genderexpertin.
Männer reagieren mit Gegenwind: #MenInFemaleFields
Einige Männer haben sich als Reaktion nun den Hashtag #MenInFemaleFields angeeignet und posten nun ebenfalls Videos mit dem Song „Anaconda“ im Hintergrund. Auch sie kommentieren angeblich typisch weibliche Verhaltensweisen: „Sie hat gefragt was ich hatte, ich habe geantwortet: Nichts“.
So versuchen sie, die Kritik der Frauen zu entwerten und zeigen dabei genau das toxische Verhalten, auf das der Trend ein Schlaglicht zu werfen versucht: Sie stellen sich in den Mittelpunkt, hinterfragen sich überhaupt und versuchen erneut, die Kontrolle an sich zu reißen.
„Unsere Kultur ist noch auf Männer ausgerichtet“, kommentiert Katja Kauer. Für Männer sei einfach, auch eine Form von ironischer weiblichen Kritik zu delegitimieren. „Andersum wäre es überhaupt nicht so einfach“, so die Forscherin.
Ist der Trend um den Hashtag also als feministisch einzustufen? Ja, findet Kauer. Auch wenn er noch nicht auf eine Ebene komme, wo es das Patriarchat nachhaltig stört.
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