Am 3. Mai ist Internationaler Tag der Pressefreiheit. Ein Bericht von Reporter ohne Grenzen zeigt, dass sich die Lage der Medien weltweit deutlich verschlechtert hat.
Die Pflicht zur Wahrheit
„Jeder freie Mensch, jeder freie Journalist muss bereit sein, die Wahrheit zu erkennen, wo immer sie sein mag“, sagte Oriana Fallaci. Sie ist eine der ersten weiblichen Kriegsreporterinnen, die aus dem Vietnamkrieg und dem Zweiten Golfkrieg berichtete. Auch wenn Journalist*innen die Wahrheit erkennen, der Wahrheit verpflichtet sind: Oft werden sie mundtot gemacht, bedroht, juristisch eingeschüchtert, festgenommen.
Reporter ohne Grenzen, der deutsche Ableger der internationalen NGO „Reporters sans frontières", unterstützt psychologisch, medizinisch, finanziell und juristisch verfolgte Journalist*innen. „Wir möchten ihnen so helfen, dass sie ihre journalistische Tätigkeit weiterführen oder wieder aufnehmen können“, heißt es von Reporter ohne Grenzen auf Anfrage von SWR Kultur.
Pressefreiheit ist keine Selbstverständlichkeit
Jährlich veröffentlicht Reporter ohne Grenzen am 3. Mai, dem Internationalen Tag der Pressefreiheit, einen Report zur Lage der Pressefreiheit in der Welt. Diese hat sich im weltweiten Vergleich deutlich verschlechtert: Für die Rangliste der Pressefreiheit 2024 von Reporter ohne Grenzen (RSF) haben sie Daten aus dem Jahr 2023 erhoben.
In manchen Ländern sei unabhängiger Journalismus praktisch unmöglich. Aber auch wir in Deutschland müssten uns bewusst machen, dass „unsere Grundrechte wie die Pressefreiheit keine Selbstverständlichkeit sind, sondern immer wieder verteidigt werden müssen“, betont Reporter ohne Grenzen.
Deutschland gehört zu den Top 10
Deutschland ist dieses Jahr von Platz 21 auf 10 gestiegen. Auf den ersten Blick ein positives Ergebnis, jedoch müsse man auch mehrere Aspekte in Betracht ziehen, so der Bericht. Im Vergleich zum Vorjahr seien die physischen Übergriffe auf Medienschaffende gesunken: RSF verifizierte in Deutschland für das Jahr 2023 insgesamt 41 Übergriffe auf Journalist*innen und Reporter*innen.
Im Vorjahr lag die Zahl noch bei 103. Wie die aktuelle Analyse der Situation in Deutschland zeigt, fanden 18 dieser 41 Übergriffe während Kundgebungen von Verschwörungstheoretikern oder extremen Rechten statt. Aber dieser Eindruck solle nicht täuschen, da es auch eine Dunkelziffer gebe.
Es gebe auch in Deutschland noch Verbesserungsbedarf was den Schutz der Journalist*innen angeht, meint Reporter ohne Grenzen. Zum Beispiel, indem die Polizei gut geschult und über die Rechte von Medien informiert sei, um „diese durchzusetzen, davon können auch Reporter*innen profitieren“.
Verbrechen an Medienschaffenden öffentlich machen
Während des Gaza-Kriegs sind in den letzten sieben Monaten mehr als 100 Journalist*innen getötet worden, 22 davon während sie ihren Job ausübten, berichtet RSF. Die Arbeit von Journalist*innen wird in Kriegsgebieten enorm erschwert, wodurch eine nüchterne und objektive Berichterstattung in diesen Regionen bedroht ist.
Sehr wichtig sei für Journalist*innen, die unter erschwerten Bedingungen arbeiten, die internationale Öffentlichkeit, erklärt Reporter ohne Grenzen: „Verbrechen an Medienschaffenden öffentlich zu brandmarken und die Täter beim Namen zu nennen, kann die Verantwortlichen unter Druck setzen.“
Außerdem könne internationale Solidarität Kraft spenden: „Das hören wir immer wieder von Medienschaffenden, die inhaftiert waren und nach ihrer Freilassung berichten, wie ihnen die Unterstützung auch mental geholfen hat.“
Das Superwahljahr könnte die Bedingungen für die Presse verschlechtern
Außerdem stellt der Bericht fest, dass sich die Bedingungen für Medienschaffende im Umfeld von Wahlen deutlich verschlechtert hätten.
Das erregt Besorgnis, vor allem in Hinblick auf 2024, ein „Superwahljahr“: Es wird in den USA, Indien, in der EU – sowie in den Bundesländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg – abgestimmt.
„Gerade mit Blick auf die Europawahl und die Landtagswahlen im Herbst“, so Reporter ohne Grenzen „rufen wir dazu auf, den Journalismus und die Pressefreiheit zu schützen.“
Reporter ohne Grenzen: Schutz gegen Spähsoftware wie Pegasus bitter notwendig
Pegasus heißt die derzeit wohl bekannteste Späh- und Überwachungssoftware, die auch in mehreren europäischen Staaten bereits zum Einsatz gekommen ist. Entwickelt und vertrieben von einem israelischen Unternehmen sind Pegasus und Co ganz offenbar gern genutzte Werkzeuge, um Oppositionelle, Journalisten oder Anwälte auszuspähen. Mit der Spyware hat sich mittlerweile auch ein EU-Untersuchungsausschuss beschäftigt, der am Donnerstag (15. Juni) seinen Abschlussbericht vorgelegt hat. Dabei ging es vor allem darum, ob und wie man solche Software in der EU kontrollieren kann. Über die Ergebnisse hat SWR Aktuell-Moderator Jonathan Hadem mit Helene Hahn gesprochen. Sie ist Referentin für Internetfreiheit bei Reporter ohne Grenzen.
Reporter im Gazastreifen: "Gibt keinen gefährlicheren Ort auf der Welt"
Heute hat eine 4-tägige Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas begonnen. Das soll unter anderem Leben retten, denn die Menschen in Gaza leben gefährlich. Wie die Situation von Journalisten ist, hat Christopher Resch von "Reporter ohne Grenzen" im SWR erzählt: "Im Kriegsgebiet lebt jeder gefährlich. Aber diese Menschen sind Berichterstattende und in dieser Funktion müssen sie rausgehen." Fälle wie Angriffe auf Krankenhäuser hätten gezeigt, wie wichtig es sei, nicht einfach offiziellen Verlautbarungen zu glauben. "Trotzdem gilt: es gibt für Journalistinnen und Journalisten zurzeit keinen gefährlicheren Ort auf der Welt als den Gazastreifen", meint Resch. Warum "Reporter ohne Grenzen" im Gegensatz zu anderen Konflikten hier keine Möglichkeit hat, Journalistinnen und Journalisten besser zu schützen, erklärt Resch im Gespräch mit SWR Aktuell-Moderator Moritz Braun.