Verklärung der Vergangenheit

„Früher war alles besser“ – Geschichtsprofessor über die Tücken der Nostalgie

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Interview
Frauke Oppenberg

In seinem Buch „Gefühlskino: Die gute alte Zeit aus sicherer Entfernung“ widmet sich Valentin Groebner, Professor für Geschichte an der Universität Luzern, dem Phänomen der Nostalgie. Er ergründet die Faszination und die Tücken dieses Gefühls, das uns oft dazu verleitet, die Vergangenheit in einem besseren Licht zu sehen.

Wir lassen Dinge, an die wir uns nicht so gern erinnern, automatisch verschwinden, ohne es zu merken, während wir in der Erinnerung immer schon recht gehabt haben.

„Ich hab's ja schon immer gesagt“

Gerade das Gefühl der eigenen Überlegenheit sei für die meisten Menschen verlockend, so Groebner: „Die Leute erinnern sich sehr, sehr gerne an ihre eigenen richtigen Vorhersagen, und zwar so gerne, dass sie notfalls auch ihre Erinnerung neu programmieren, damit das passt.“

Groebner spricht in SWR Kultur auch über die eigenen, eher düsteren Erinnerungen an seine Wiener Vergangenheit. Die 70-Jahre wären ebenso von Sorgen und Ängsten geprägt worden wie die heutige Zeit. „Aber wir verklären die Vergangenheit, denn sie bietet uns nachträglichen Überblick.“

Als Historiker gilt es, Verklärung zu meiden

Als Historiker betont Groebner die Aufgabe seines Fachs: nicht die Verklärung, sondern die genaue Prüfung der Vergangenheit. Dabei stellt er fest, dass die Nostalgie oft dazu dient, unangenehme Erinnerungen zu verdrängen und eine Illusion von Einfachheit und Klarheit zu schaffen. Dies kann jedoch zu einem Mangel an Selbstkritik und Neugier führen, der unsere Fähigkeit zur Bewältigung der Gegenwart beeinträchtigt. „Es ist eine Art von vergifteter Zuckerpille“, sagt Groebner, „weil man erinnert sich nicht an eigene Fehler. Man wird nicht selbstkritischer, wenn man sich erinnert, man wird nicht neugieriger.“