Tagesgespräch

Politikwissenschaftler Herfried Münkler: Verschärfte Verteilungskämpfe führen zu Egoismus

Stand
Autor/in
Gerhard Leitner

In Deutschland geht eine Woche mit Streiks bei der Bahn und täglichen Protesten von Landwirten zu Ende. Im SWR2 Tagesgespräch führt der Politikwissenschaftler Herfried Münkler die zunehmende Radikalisierung in der Gesellschaft auf drei Faktoren zurück. Zum einen "Verschärfte Verteilungskämpfe", bei denen "Nullsummenspiele" an die Stelle von früheren "Win-Win-Situationen" getreten seien. Der zweite Faktor ist für Münkler, dass Fortschritt nicht mehr bedeute, dass "alle inbegriffen" sind: "Der Fortschritt des einen ist oft das Verharren eines anderen." Als dritten entscheidenden Faktor sieht der Politikwissenschaftler "die veränderte und verschärfte Kommunikation durch die neuen sozialen Medien." Aus den Verteilungskämpfen ergebe sich auch, dass "soziale Gruppen aber auch die Einzelnen vor allem an sich selbst denken."


Münkler sieht die aktuelle Situation als Ergebnis einer Entwicklung der letzten etwa 10 Jahre, die unter anderem von der Corona Pandemie und dem Ukraine-Krieg bzw. dessen Folgen geprägt waren: "Man hat (…) das Gefühl, dass die früheren Verhältnisse, in denen man mit Grund davon ausgehen konnte, dass sich alles schon irgendwie zum Guten entwickeln werde, vorbei sind, und dass wir von einem schlimmen Fall (…) in den nächsten taumeln." Deshalb gehe es vielen auch nicht mehr um "das Streiten um die beste Lösung, sondern Fundamental-Opposition oder die Vorstellung von einem System-Sturz."


Das Handeln der Bundesregierung im Umgang mit den Bauernprotesten bezeichnet Münkler als "ungeschickt". Aus seiner Sicht hätte es die Möglichkeit gegeben, die unterschiedlichen Interessen von kleinen und großen Betrieben „ein bisschen gegeneinander auszuspielen“. Weil man aber "mit der ganz breiten Fliegenklatsche draufgehauen" habe, "hat man die solidarisiert."

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Gerhard Leitner