Wer den Begriff „Nerd“ hört, der denkt unweigerlich an „The Big Bang Theory“: hochintelligente, verschrobene Mannkinder mit Hang zu Comics, Games und PCs. Doch Nerd-Kultur ist viel mehr, sagt unser Autor, selbst stolzer Nerd. Es ist eine Bewegung, die die Liebe zu guten Geschichten und deren kreativem Ausdruck feiert, so auch am 25. und 26. März auf der ersten „Proud Nerd Convention“ in Trier.
Vom Loser zum Träumer: Daher kommt der Begriff „Nerd“
Sonderling oder Schwachkopf. Das findet man im Englisch-Wörterbuch, wenn man den Begriff „nerd“ nachschlägt. Spätestens in den 1980er-Jahren setzt sich der Begriff an amerikanischen Highschools durch. Er bezeichnet eine besondere Klasse von Schülern: hochintelligent, sozial unbeholfen, eigenbrötlerisch und mit einem Hang zu Computern, Comics und Science-Fiction.
Was ursprünglich beleidigend gemeint ist, wird ab den späten 1990er-Jahren, dank dem Internet und der Möglichkeit, sich in Foren und Newschats besser zu vernetzen, zum positiv besetzten Kampfbegriff. Heute bezeichnen sich Fans von Comics, Manga und Anime, Games, Science-Fiction und Fantasy ganz selbstverständlich und stolz als Nerds.
Lange Zeit galten Cosplayer, Comic-Leser und Gamer als spleenige Sonderlinge, die mit ihren Lieblingsthemen im Kinderzimmer hängen geblieben sind. Dabei setzen sich Nerds mit den geliebten Welten ihrer Lieblingsserien, -filme und -bücher bis ins kleinste Details auseinander – und spinnen fort, wo das Original nicht weitergeht. Nerd sein, das bedeutet Mut zum Anderssein.
SWR Aktuell berichtet von der „Proud Nerd Convention“ in Trier
Der Umgang mit den geliebten Werken ist individuell
Die moderne Nerd-Kultur ist unheimlich vielfältig. Manche Nerds studieren das Objekt ihrer Liebe regelrecht: Sie sammeln in Online-Enzyklopädien jedes noch so kleine Detail über ihren Lieblingsfilm, beleuchten die Biografie der Lieblingsfigur unter verschiedensten Aspekten oder verschlingen das gesamte Œuvre des liebsten Autors vom ersten bis zum letzten Buchstaben.
Andere Nerds gehen einen Schritt weiter und werden selbst zum Autor neuer Inhalte: „Fan-Fiction“ nennt man es, wenn Fans die Handlung ihrer Lieblingsgeschichte in eigenen Texten weiterschreiben oder ihre Lieblingsfiguren aus verschiedenen Serien gemeinsam neue Abenteuer erleben lassen.
Nicht selten entstehen aus Fan-Geschichten neue Werke: so wie im Fall der berühmt-berüchtigten Buchreihe „50 Shades of Grey“. Auf Fan-Fiction-Webseiten veröffentlichte Autorin E. L. James eine Erotik-Fanfiction auf die Vampirsaga „Twilight“ (deutsch: „Bis(s) zum Morgengrauen“), die sie später mit geänderten Namen und ohne Vampire als eigenständige Romane herausbrachte.
Conventions: Wo Nerds ihr Anderssein feiern
Nirgends kann man Nerd-Kultur so in Reinkultur erleben wie auf Conventions. Hier treffen Fans auf die Menschen hinter ihren Lieblingsserien: In Panels diskutieren sie mit Schauspielerinnen und Synchronsprechern, Regisseuren und Autorinnen, Zeichnerinnen und Game-Designern.
Auf der Bühne performen Musiker*innen, Theater- und Tanzgruppen spielen Programme nach ihren Lieblingswerken, Künstler*innen laden zu Kreativ-Workshops ein und in Game-Rooms können Fans von Video- und Brettspielen sich zum Zocken verabreden. Das Wichtigste aber bleibt das Treffen und der Austausch mit Gleichgesinnten, die die eigene Leidenschaft teilen.
Es braucht mehr Mut zum Nicht-Erwachsen-Werden!
Braucht es nicht mehr von ihnen? Mehr stolze Nerds, die sich bewusst dagegen entscheiden, erwachsen zu werden? Mehr Menschen, die ihre Fantasie, ihr Talent und ihren Wissensdurst auf das lenken, für das ihr Herz brennt und die dadurch selbst zum kreativen Sender werden?
Von Künstler*innen sagt man gerne, sie hätten es geschafft, ihr inneres Kind zu bewahren und nicht anders ist es bei Nerds. Wer jemals eine Convention von innen erlebt hat, der weiß, welches kreative Potential und welche mitreißende Energie in den Nerds schlummert, den „sonderbaren Schwachköpfen“ aus dem Englischbuch.
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