Wie gehen Strafgefangene mit der Last ihrer Schuld um? Das ist das Thema von 17 Texten in dem Buch „Schuld – Tinnitus der Seele“. Es ist im Rhein-Mosel-Verlag erschienen und beinhaltet Texte, die mit dem Ingeborg-Drewitz-Preis ausgezeichnet wurden.
Wer ins Gefängnis kommt, hat Schuld auf sich geladen und er oder sie hört bei der Verurteilung den Spruch „Schuldig im Namen des Volkes“.
Ingeborg-Drewitz-Preis
Der Preis wird alle drei Jahre für Texte vergeben, die im Gefängnis entstanden, aber auch von literarischer Qualität geprägt sind. Schirmherr ist in diesem Jahr Maximilian Pollux, selbst ehemaliger Strafgefangener.
Preisgekrönter Text zum Thema „Einsamkeit“
Als Maximilian Pollux im Gefängnis saß, las er den Aufruf, einen Text für den Wettbewerb einzureichen. Das Thema hieß „Einsamkeit“.
Mehr Literaturpreise
Elisabeth-Langgässer-Literaturpreis Literaturpreisverleihung: Preisträgerin Nora Bossong wirbt für Auseinandersetzung mit Elisabeth Langgässer
Seit 1986 vergibt die Stadt Alzey den Elisabeth-Langgässer-Literaturpreis, doch die Namensgeberin war aufgrund ihres Verhaltens im Nationalsozialismus infrage gestellt worden. Auch Nora Bossong – Preisträgerin 2024 – setzte sich in ihrer Preisrede kritisch mit Langgässer auseinander, warb dafür, der Auseinandersetzung mit der Geschichte nicht aus dem Weg zu gehen.
Diskussion über vier Bücher SWR Bestenliste Dezember mit Büchern von Tezer Özlü, Katja Lange-Müller, Lydia Davis und Maria Stepanova
Kitsch oder nicht? Cornelia Geißler, Gregor Dotzauer und Klaus Nüchtern diskutierten vier auf der SWR Bestenliste im Dezember verzeichneten Werke im barocken Schießhaus in Heilbronn. Vor allem das erstplatzierte Prosawerk von Tezer Özlü gab Anlass für grundlegende Diskussionen. Die Anfang der 1980er Jahre geschriebene und jetzt wiederentdeckte „Suche auf den Spuren eines Selbstmordes“ führte zur Frage, ob der Text unter Kitsch zu subsumieren sei. Vor allem der aus Wien angereiste Literaturkritiker des Wiener Magazins Falter Klaus Nüchtern mokierte sich über Sachfehler und missglückte Formulierungen der „pathetischen und egozentrischen Prosa“. Gregor Dotzauer, Literaturredakteur des Tagesspiegel, verteidigte den hohen Ton und die existentielle Dringlichkeit der Prosa. Cornelia Geißler, Literaturredakteurin der Berliner Zeitung, erinnert an den biografischen Hintergrund des Buchs, an die Gewalterfahrungen und Todessehnsucht der Autorin, denen beglückende Lektüren und nahezu therapeutische Sex-Szenen gegenübergestellt werden.
Die 1943 in Anatolien geborene Übersetzerin und Schriftstellerin Tezer Özlü gehörte in den 1980er Jahren zu den wichtigsten Vertreterinnen junger Literatur in der Türkei. Obwohl sie auch in Deutschland gelebt hat, ist sie hierzulande weitgehend unbekannt geblieben. Özlüs „Suche nach den Spuren eines Selbstmordes“ erscheint hierzulande zum ersten Mal, obwohl das Buch auf Deutsch verfasst und mit einem Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Die Autorin reist nicht nur zu den Schauplätzen ihrer literarischen Heroen wie Kafka, Svevo und Pavese, sie erkundet in einer „apodiktischen Sprache“ (Nüchtern) auch eigene Sehnsüchte, Träume und Wünsche. Das Buch entwickelt sich damit zu einer literarischen Feier der „unbedingten Rebellion“ (Dotzauer).
Auf dem Programm in Heilbronn standen außerdem: mit „Unser Ole“ der neue Roman von Katja Lange-Müller (Platz 2), die Prosaminiaturen “Unsere Fremden“ von Lydia Davis (Platz 3) sowie der aus dem Russischen von Olga Radetzkaja übertragene Roman „Der Ansprung“ von Maria Stepanova (Platz 4). Aus den vier Büchern lasen Isabelle Demey und Dominik Eisele. Durch den Abend führte Carsten Otte.