Häusliche Gewalt findet meist im Vorborgenen statt. Frauen und Kinder trauen sich nicht darüber zu sprechen, aus Scham. Wo finden sie Hilfe und den Glauben an ihre eigene Kraft.
Prügel, Drohungen, Misshandlung - Gewalt prägt den Alltag vieler Frauen in Deutschland. Nach Daten des Bundeskriminalamts nahmen Fälle häuslicher Gewalt auch in 2023 weiter dramatisch zu und verzeichnete 155 Femizide. Ein Rekordwert. Die Opfer sind meist Frauen, die Täter ihre Partner oder Ex-Partner.
Marie*, wir nennen sie so, aus Sicherheitsgründen, lebt seit einem Jahr mit ihren beiden kleinen Kindern im Frauenhaus. Sie flüchtete vor ihrem gewalttätigen Partner, der sie prügelte, demütigte, kontrollierte. Im Frauenhaus fand sie Schutz, Hilfe und wieder zu neuem Selbstbewußtsein
Amalia*, auch ihr Name wurde geändert, erlebte fast jeden Tag wie ihr Vater ihre Mutter bedrohte und fast zu Tode quälte. Erst nach vielen Jahren konnte sich die Mutter von ihrem Ehemann trennen. Doch in dieser Zeit fühlte sich Amalia verantwortlich für ihre Mutter und ihre drei Geschwister. Denn sie alle lebten in ständiger Todesangst.
Die gefährlichste Situation ist unmittelbar nach der Trennung
Die gefährlichste Situation ist unmittelbar nach der Trennung, erklärt Katja Grieger vom Bundesverband für Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe. In Deutschland waren im vergangenen Jahr rund 250.000 Menschen Opfer häuslicher Gewalt. Davon über 70 Prozent Frauen. Die Dunkelziffer ist weit höher.
155 Femizide in Deutschland im vergangen Jahr – ein Rekordwert
Das Bundeskriminalamt verzeichnete 155 Femizide, also Morde an Frauen, weil sie Frauen sind. Ein trauriger Rekordwert.
Doch Frauenhäuser und Beratungsstellen für Frauen sind chronisch unterfinanziert und das Gewalthilfegesetz lässt auf sich warten. Nach monatelangen Diskussionen hat Bundesfamilienministerin Paus das sogenannte Gewalthilfegesetz vorgelegt. Es soll einen rechtlichen Anspruch auf Schutz und Beratung garantieren. Gleichzeitig soll sich der Bund über zehn Jahre an den entstehenden Kosten beteiligen. Der deutsche Frauenrat forderte in einem Brandbrief die Bundesregierung auf, das Gewalthilfegesetz endlich zu verabschieden. Darunter sind auch konfessionelle Organisationen wie die Arbeitsgemeinschaft katholischer Frauenverbände, das Aktionsbündnis muslimische Frauen in Deutschland oder Evangelische Frauen in Deutschland.
Das Gewalthilfegesetz darf am Ampel-Aus nicht scheitern
Doch nach dem Aus der Ampel ist die Frage: Bleibt das Gewalthilfegesetz jetzt auf der Strecke? Steht Schutz und Hilfe für gewaltbetroffene Frauen trotz dramatisch steigender Zahlen weiter hinten an? Diese Sorge teilt Katja Grieger.
In Deutschland herrscht ein absoluter Notzustand, sagt Asha Hedayati. Die Familienrechtsanwältin lehrt an der Alice-Salomon-Hochschule für Soziale Arbeit in Fächern wie Familienrecht oder Kinder- und Jugendhilferecht. „Es bedarf mehr Präventionsangebote, um ein patriarchales Rollenverständnis zu hinterfragen, und das beginnt bereits im Kindergarten“, erklärt sie.
Mehr Präventionsangebote und geregelte Täterarbeit
Vor einem Jahr wurde ihr Buch „Stille Gewalt, wie der Staat Frauen allein lässt“ veröffentlicht. Darin beschreibt sie, wie patriarchal die Strukturen innerhalb von Justiz und Polizei immer noch sind und es Frauen zusätzlich schwer machen, der Partnerschaftsgewalt zu entkommen. Häufig werde die männliche Gewalt, die sie erfahren, nicht ernst genommen, erzählt sie aus Gesprächen mit Mandantinnen.
Gewalt gegen Frauen wird immer noch verharmlost, auch medial
Gewalt gegen Frauen werde meist als Privatsache, als Einzelschicksal gesehen, Femizide häufig verharmlost, auch medial. Trennungstötungen gelten als „Ehedrama“ oder „Familientragödie“, sagt Familienrechtsanwältin Asha Hedayati, anstatt sich zu fragen, warum müssen in unserer Gesellschaft so viele Frauen Gewalt erleben und warum nimmt die Gewalt jedes Jahr zu? Warum ist Täterarbeit noch immer ein Randthema und wie steht es um verbindliche Fortbildungen für Polizei und Justiz im Umgang mit gewaltbetroffenen Frauen?