Eine zufällige Entdeckung in einer Chatgruppe führt zur Veränderung der digitalen Kommunikation: Vor 40 Jahren wurden die ersten Emojis aus der Taufe gehoben. Als sinnfällige und weltweit geläufige Abbilder von Gefühlen sind sie im Jahr 2022 nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken.
Witze in Chatgruppen begründen die ersten Emojis
Zunächst war es eine Frage des Humors unter Computernerds. Zu Beginn der 80er Jahre, als die Netzgemeinde noch überschaubar war und nur einige wenige Universitätsmitarbeitende über E-Mails miteinander kommunizierten, stellte sich heraus, dass witzige und ernst gemeinte Kommentare in den Chatgruppen nicht immer klar voneinander zu unterscheiden waren.
Am 19. September 1982 schreibt der Informatiker Scott E. Fahlmann von der Carnegie Mellon Universität in Pittsburgh deshalb an die Mitglieder eines Onlineforums seiner Uni eine Mail. Darin schlägt er vor, künftig ein liegendes Smiley bei lustig gemeinten, ein trauriges Gesicht bei ernst gemeinten hinzuzufügen. Die beiden ersten Emojis waren geboren.
12.9.1981: Der Chaos Computer Club gründet sich informell
Abbilder gesellschaftlicher Entwicklungen
Die Emojis der Gegenwart gibt es seit Ende der 90er Jahre. Der japanische Interface-Designer Shigetaka Kurita hat 1999 ein Set von 176 farbigen Emojis erfunden. Diese Kollektion besitzt seit 2016 das New Yorker Museum of Modern Art.
Inzwischen nutzen laut einer aktuellen Umfrage rund 74 Prozent der Menschen in Deutschland über 16 Jahren die bunten Piktogramme, mehr als jeder Fünfte nutzt sie sogar in jeder Nachricht. Längst ist das Repertoire an Zeichen auf eine beachtliche Größe angewachsen: Rund 3.500 Emojis gibt es derzeit.
Mit ihnen lassen sich Textnachrichten vielfältig illustrieren und kontextualisieren. Damit sind die bunten Bildchen auch immer ein Stück weit Abbild gesellschaftlicher Entwicklungen. Emoticons mit unterschiedlichen Hautfarben, für gleichgeschlechtliche Paare oder Kopftuch-Trägerinnen sind etwa ein Beispiel für die ständige Erweiterung des Zeichenbestandes.
Bekannte Werke der deutschen Literatur in Emojis:
Computer- und Softwarehersteller wachen über die Emoticons
Jedes Jahr werden der Emoji-Bibliothek weitere Bildchen hinzugefügt. Wie viele und welche das sind, entscheidet seit 1995 das Unicode Consortium, eine Non-Profit-Organisation, bestehend aus Vertretern großer Computer- und Softwarehersteller.
Vorschläge für neue Emojis können beim Unicode Consortium eingereicht werden. Ob ein Symbol in die Bibliothek aufgenommen wird, hängt von mehreren Faktoren ab – beispielsweise muss das Emoji in den gängigen Ausspielwegen gut zu erkennen sein und darf nicht mittels anderer Symbole ausgedrückt werden können.
Geschichte der Liebesbriefe – Vom Herzen in die Feder
Auch weltanschauliche Fragen spielen eine Rolle: So wurde etwa der Vorschlag, ein Cannabis-Blatt in die Emoji-Bibliothek aufzunehmen bereits mehrfach abgelehnt. Politisch eingefärbte Symbole finden sich ebenfalls nicht in der Bibliothek. 2022 werden 31 neue Emojis hinzugefügt, unter anderen das Khanda-Emblem, ein Elch, ein pinkes Herz und ein kopfschüttelndes Smiley.
Ein Phänomen der Popkultur
Längst haben die Emoticons die Bildschirme verlassen. Sie sind zu einem Phänomen der Pop- und Alltagskultur geworden und auf Tassen, Pullovern oder Notizblöcken zu finden. Selbst ein Emoji-Film kam 2017 in die Kinos.
Trailer zum Film „Emoji: Der Film“:
Kaum ein anderes Design dürfte weltweit mehr Menschen erreichen. Emoticons können als universeller Code gelten: Jeder kann sie verstehen. So hat der chinesische Künstler Xu Bing ein Buch geschrieben, das weltweit gelesen werden kann: Es besteht ausschließlich aus Emojis und anderen Symbolen.
Trotzdem gibt es kulturelle Unterschiede bei der Verwendung einzelner Emojis und bei der Häufigkeit ihrer Nutzung: Wie eine Analyse aus dem Jahr 2015 ergab, werden in Frankreich beispielsweise viermal so viele Herzen verschickt wie in anderen Ländern, in den USA kommen besonders oft Essens- und Baseball-Symbole zur Anwendung und in Deutschland werden überdurchschnittlich viele Mäuse versendet.
Laut Emoji-Tracker – einem Tool, das in Echtzeit die Verwendung von Emojis in öffentlichen Tweets auswertet – sind verschiedene Smileys nach wie vor aber die weltweit am häufigsten genutzten Emoticons auf Twitter.
In der 3sat-Mediathek ist der Film „Die Emojikalypse :-)“ von Lilly Schlagnitweit zu sehen:
Auch Emojis sind nicht immer eindeutig
Und doch sind die Bilder nicht immer eindeutig zu verstehen oder werden mitunter zweckentfremdet. Je nach Gesprächssituation entstehen so neue Bedeutungen.
Ein Clownsgesicht in Social-Media-Kommentarspalten ist mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nett gemeint, Pfirsich und Aubergine verlieren je nach Kontext ihre Unschuld und die Hand mit nach oben gestrecktem Daumen und kleinem Finger kann sowohl eine als „Pommesgabel“ bezeichnete Rockergeste als auch ein Zeichen für Untreue sein. Der Raum für Missverständnisse ist wie bei jeder Form der Kommunikation auch bei den vermeintlich eindeutigen Emojis groß.