Gábor Paàl diskutiert mit:
Torben Halbe, Autor "Das wahre Leben der Bäume"
Prof. Dr. Pierre Ibisch, Pflanzenbiologe, Hochschule Eberswalde
Christoph Schröder, Literaturwissenschaftler, Philosoph und Publizist
Streitpunkt 1: Vermenschlicht Wohlleben die Bäume?
Wohlleben-Kritiker Torben Halbe bemängelt, dass Wohlleben Bäumen Fähigkeiten zuschreibe wie Intelligenz, Gefühl, Schmerz oder "Liebe" und dass er in den Wurzeln das "Gehirn" von Bäumen sehe. Bei Wohlleben klinge es so, als hätten Bäume ein Bewusstsein. Aus neurowissenschaftlicher Sicht sei das nicht haltbar, denn Bäume haben kein Nervensystem.
Pierre Ibisch dagegen verweist auf jüngere Erkenntnisse der Pflanzenphysiologie, wonach es bei Bäumen einen auch "elektrisch vermittelten Signalaustausch" gebe, sowohl zwischen den Zellen, als auch zwischen Bäumen. Der funktioniere zwar langsamer als bei Tieren, aber sei durchaus analog zu Nervensignalen zu sehen. Auch sei inzwischen bekannt, dass Bäume über die Pilzgeflechte im Boden (Mykorrhiza) miteinander in Kontakt stünden. Manche Pflanzenphysiologen seien der Auffassung, man könnte die Gesamtheit dieser Phänomene durchaus als "Intelligenz" bezeichnen.
Fazit von Moderator Gábor Paál: "Der Streit dreht sich an diesem Punkt vor allem um Begriffe. Wohlleben behauptet in seinem Buch nirgends, dass Bäume ein Bewusstsein hätten. Ob Bäume ein 'Gehirn' haben, und ob sich dies in den Wurzeln befindet, stellt er als Frage in den Raum.
Richtig ist: Peter Wohlleben überschreibt seine Kapitel mit Begriffen wie "Liebe" und ködert damit die Leser, doch im Text beschreibt er schlicht biologische Phänomene wie die Tatsache, dass sich Laubbäume offenbar untereinander abstimmen, wann sie blühen. Oder dass Bäume, die als Zwitter existieren, auf eine noch nicht geklärte Weise eine Selbstbefruchtung verhindern.
Kurz: Es geht in der Diskussion im Kern darum, ob es legitim ist, mit menschelnden Begriffen zu operieren, um Zusammenhänge zu veranschaulichen. Die einen betrachten das als unseriös, die anderen als legitime Metaphern - als solche bezeichnet es auch Wohlleben im neuen Film."
Streitpunkt 2: Die Frage nach der "richtigen" Forstwirtschaft
Wohlleben plädiert in seinem Buch dafür, Wälder "alt werden zu lassen", also wenig bis gar kein Holz zu entnehmen. Solche Wälder würden mehr Kohlenstoff speichern, seien also fürs Klima besser.
Torben Halbe – der seit kurzem auch für den Deutschen Forstwirtschaftsverband arbeitet – wirft Wohlleben vor, den naturbelassenen Wald zu idealisieren. In Wahrheit haben alte Wälder einen ausgeglichenen Kohlenstoffhaushalt. Sie bauen so viel Biomasse auf, wie im Schnitt im gleichen Zeitraum verrottet. Deshalb seien alte Wälder klimaneutral. Für Wohllebens Behauptung, alte und dichte Wälder würden mehr Humus im Boden aufbauen, gebe es keine Beweise. Im Gegenteil sei die Entnahme von Holz sinnvoll: Wenn mit dem Holz Häuser und Möbel gebaut werden, bilden sie zusätzliche Kohlenstoffspeicher, während der so verjüngte Wald weiter Kohlenstoff einlagern kann.
Pierre Ibisch sieht das anders: Durch das "Verjüngen" – also Entnehmen von Bäumen – trocknen Wälder schneller aus und werden so anfälliger bei längeren Trockenzeiten, die sich durch den Klimawandel häufen könnten. Ibisch hält im Gegensatz zu Halbe auch nichts davon, in Wäldern klimaangepasste, aber ortsfremde Bäume zu pflanzen. Wälder sind ein Gesamtsystem, das Einführen von Baumarten aus anderen Regionen berge somit ökologische Risiken.
Fazit von Moderator Gábor Paál: "Hier geht es tatsächlich um Sachfragen. Worüber weitgehend Einigkeit besteht:
- Mit dem Klimawandel müssen und werden sich auch die Wälder ändern.
- Wälder haben ökonomisch eine größere Funktion als nur Holzproduktion: Sie speichern Kohlenstoff, sind gut für den Wasserhaushalt, haben auch eine Erholungsfunktion und anderes mehr.
Was daraus konkret folgt und der "optimale" Wald in Zukunft genau aussieht – dazu gibt es innerhalb der Forstwissenschaft sehr unterschiedliche Positionen. Wie die Argumente zeigen, sind dabei sehr viele Aspekte zu berücksichtigen."
Ist Peter Wohlleben gegen Holznutzung?
Peter Wohlleben selbst macht – auch in seinem Film – deutlich, dass er nicht grundsätzlich dagegen ist, Bäume zu fällen und Holz zu nutzen. Seine Bücher seien schließlich auch aus Papier, betont er.
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