Adventskalender boomen: Einst süße Tradition mit Bildchen und Schokolade, heute ein Millionenmarkt mit Schmuck, Gin & Co. Wie aus den Türchen ein Business wurde.
Bereits 1908 ging der erste kommerzielle Adventskalender über die Ladentheke. Entwickelt hat ihn Gerhard Lang, ein Verleger aus München. Der Kalender bestand zunächst aus 24 Feldern, die Kinder mit bunten Bildchen bekleben konnten. Später entwickelte Lang Kalender mit vorgedruckten Türchen, die ab den 1920er-Jahren populär wurden.
Wortwörtlich süß wurde es hinter den Türchen erst nach den entbehrungsreichen Nachkriegsjahren. Schokolade, zunächst ein Luxusprodukt, wurde durch steigende Verfügbarkeit erschwinglicher. 1958 brachte die Firma Stollwerck in Köln den ersten Adventskalender mit Schokolade auf den Markt – ein großer Erfolg, der schnell auf breite Nachfrage stieß.
10,3 Millionen US-Dollar für einen Adventskalender von Künstlerin Debbie Wingham
Längst verstecken sich hinter den Türchen nicht mehr nur Süßigkeiten. Viele Firmen haben für sich das Erfolgsmodell neu interpretiert. Socken, Teebeutel oder Bier – die Palette an Produktangeboten ist unfassbar lang. Auch werden die Adventskalender immer teurer.
2021 hat die britische Künstlerin Debbie Wingham den bisher teuersten Kalender der Welt für eine wohlhabende Schweizer Familie entworfen.
In diesem exklusiven Kalender befanden sich unter anderem luxuriöse Produkte wie Designer-Uhren, Diamantschmuck und eigens angefertige Kunstwerke. Daneben hatte der Internetstar auch Reisepläne zu Orten wie Dubai, Paris oder Disneyland eingeplant.
Einblicke in die Marketingstrategien der Unternehmen
Der Luxus-Adventskalender von Debbie Wingham ist ein extremes Beispiel. Generell zeichnet sich jedoch ein Trend zu kostspieligen Adventskalendern ab, sagt Marketingexperte Prof. Peter Kenning von der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf. „Besonders zur Weihnachtszeit neigen viele Menschen dazu, sich ein Stückchen Luxus zu gönnen – oder noch häufiger, es zu verschenken.“
Die Firmen nutzen diese Großzügigkeit für sich und nicht nur die. Bei hochpreisigen Kalendern werde oft damit geworben, dass der Warenwert im Kalender unter dem Verkaufswert liege. Der Experte spricht hier von einem sogenannten „funktionalen Nutzen“ für die Käuferin oder den Käufer. Je höher der Warenwert erscheint, um so eher ist man geneigt, den Kalender zu kaufen.
Ob es sich dabei wirklich um ein Schnäppchen handelt, lässt sich nach Angaben des Experten jedoch nicht pauschal beantworten. Manche Unternehmen berechneten den Warenwert nicht mittels des Einkaufspreises der Produkte. Stattdessen addierten sie den Verkaufswert. „Dann liegt der Gewinnaufschlag schon mit zu Grunde und die Unternehmen verdienen ordentlich an den Kalendern“, erklärt Prof. Kenning.
Verkaufskalkül hinter Adventskalendertürchen
Trotzdem gibt es auch Adventskalender, die gemessen an ihrem Inhalt recht günstig verkauft werden. Unternehmen hoffen, so ihre Marke positiv zu stärken. Besonders offenkundig sei das bei Spielzeug- oder Kosmetikkalendern.
So entdeckt man zum Beispiel in einem Kalender vielleicht eine kleine Tube Handcreme, für die man sich bisher nicht interessierte. Nachdem man sie getestet und für gut befunden hat, landet sie bei einem späteren Shoppingtrip möglicherweise in ihrer Originalgröße in der Einkaufstasche.
Bei Spielzeug zielen die Unternehmen dagegen eher darauf ab, weitere Teile aus dem Sortiment zu verkaufen. „Eine einzelne Feuerwehrmann-Figur ist für sich schon ganz nett. Doch mit dem passenden Feuerwehrauto dazu, spielt es sich gleich noch besser“, so Prof. Kenning
Der Adventskalender als Dauerwerbesendung
Mit dem Verkauf von Adventskalendern verfolgen Unternehmen auch psychografische Ziele, erklärt Prof. Henning. Ein Adventskalender hängt wegen seiner ästhetisch ansprechenden Gestaltung oft an einem zentralen Ort in der Wohnung, etwa in der Küche oder im Kinderzimmer. Dadurch bleibt die jeweilige Marke stets präsent.
Nicht nur der schöne Anblick weckt Emotionen, auch die tägliche Überraschung führt dazu, dass Menschen die Marke immer positiver wahrnehmen.
Das steigert wiederum die Kundenbindung an das Produkt. Menschen sind dadurch häufiger geneigt, auch unterjährig regelmäßig auf Produkte der Marke zurückzugreifen.
Verbraucherzentrale kritisiert Preispolitik
Bei Adventskalendern mit Süßigkeiten lohnt sich laut Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz ein prüfender Blick. Ein Schokoladenkalender kann leicht doppelt so viel kosten wie die gleiche Menge Schokolade in einer Standardverpackung. „Bei Chips, Bier oder anderen Lebensmitteln ist das oft ähnlich“, erklärt Marlene Bär von der Verbraucherzentrale. Die aufwendige Verpackung macht sich deutlich im Portemonnaie bemerkbar.
Die Expertin für Verbraucherschutz rät deshalb dazu, den Adventskalender am besten selbst zu basteln oder ein wiederverwendbares Exemplar jedes Jahr neu zu befüllen. Dadurch habe man eine klare Preiskontrolle, ein wirklich persönliches Geschenk und die beste Chance darauf, 24 gelungene Überraschungen bis Weihnachten zu machen.