Merve Uslu studiert Ethnologie und Soziologie in Heidelberg. Sie wurde 1996 in Mannheim geboren. Ihre Großeltern kamen in den 1960er Jahren als türkische Gastarbeiter nach Deutschland. 2020 reiste sie für einen Dokumentarfilm in die Heimat der Großeltern, um herauszufinden, welche Veränderungen Auswanderung mit sich bringt. Die Fotoalben stehen für die Vergangenheit und Herkunft ihrer Großeltern, die Wanduhr für die Zeit, die sie länger in Deutschland verbringen als geplant.
Ich bin Merve Uslu, 25 Jahre alt und Ethnologiestudentin. Momentan arbeite ich als studentische Hilfskraft in der Abteilung Integration der Stadtverwaltung Ludwigshafen am Rhein.
Kısmet - Ein Film von Merve Uslu
Ich setzte mich seit einer Weile mit der Migrationsgeschichte meiner Familie auseinander und arbeite hierfür mit Bild- und Videomaterialien aus dieser Zeit. Die alten Fotoalben und Bilder symbolisieren aus diesem Grund die Bindung zu meinen türkischen Wurzeln. In meinem Dokumentarfilm „Kısmet – Eine Geschichte zwischen Schicksal und Sehnsucht“ (2020) habe ich ein für mich sehr wichtiges Thema aufgearbeitet: Die Sehnsucht und Bindung an den Heimatort, den meine Großeltern in den 60er Jahren als türkische Gastarbeiter verließen. Die Fragen, was sie damals hinterlassen haben und wie sich die Beziehungen zu ihren Familien im Heimatort entwickelt hat, waren mir dabei besonders wichtig.
Zeit ist relativ
Diese Geschichte mündet eigentlich auch an dem Gegenstand, mit dem ich mich mit meiner deutschen Seite identifiziere, eine alte Wanduhr. Ich erinnere mich gerne an ein Zitat meines Opas aus meinem Dokumentarfilm. Da sagte er: „Ich wollte zwei Jahre in Deutschland bleiben. Die zwei Jahre sind immer noch nicht vorüber.“
Ich selbst bin in Deutschland geboren und aufgewachsen und merke auch sehr oft, wie ich ganz schnell in alten Erinnerungen meiner Großeltern schwelge.
Eine Reise in die Vergangenheit
Die Fotoalben und die Wanduhr sind zwar unterschiedliche Gegenstände, haben jedoch eine wichtige Verknüpfung: Ich habe während der Dreharbeiten für den Film meine Großeltern nicht nur als die Personen kennengelernt, mit denen ich aufgewachsen bin. Es ging eher darum, dass sie mir das Gefühl von Heimat vermittelt haben. Durch das Erinnern an alte Begegnungsorte, Erlebnisse, Erfahrungen und Herausforderungen hatte ich das Gefühl, dem früheren Ich meiner Großväter begegnet zu sein.
Das Herz schlägt für zwei Heimaten
Ich bin meinen Großeltern unendlich dankbar, dass sie damals diesen Schritt gewagt haben, Herausforderungen eingegangen sind, sich ihren Ängsten stellten und dennoch rückblickend so darüber sprechen können, als wäre es gestern gewesen. Auch wenn sie ihren Heimatort verlassen haben, merkte ich während meiner Dreharbeiten, wie leidenschaftlich sie die Heimat beschreiben, aber sich von Deutschland auch nicht trennen können. Denn hier entstanden mit der Zeit neue Generationen, die das Bindeglied zwischen zwei Kulturen sind. So identifiziere ich mich zumindest …