Zeitwort

24.6.1933: Nazi-Deutschland verbietet die Zeugen Jehovas

Stand
Autor/in
Nela Fichtner

Sie verweigerten Hitlergruß, Militärdienst und die Teilnahme an NS-Veranstaltungen. Obwohl der Widerstand der Zeugen Jehovas nicht politischer Natur war und die Inhaftierten bei der SS als unterwürfige Arbeitskräfte galten, wurden Tausende ermordet oder kamen in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten ums Leben.

Die Konstanzer Zeugin Jehovas Anna Luise Meissner, geborene Hepp, wurde 1942 im KZ Ravensbrück ermordet. Unermüdlich zog die junge, zweifache Mutter zuvor mit ihren Glaubensgenoss*innen in Konstanz von Tür zu Tür, verkaufte Bibeln und verteilte Schriften der Zeugen Jehovas. Zunächst wird Anna Meissner wegen unerlaubter Sonntagsarbeit angeklagt.

Kriegsdienstverweigerung als Todesurteil

Dann kommt sie wegen „Schmuggel unerlaubter Schriften“ ins Frauengefängnis Gotteszell in Schwäbisch Gmünd. Kaum freigelassen, wird sie wieder aktiv. Anna wird in ein Frauen-Konzentrationslager verschleppt und drei Jahre später dort erschossen.

„Die Zeugen Jehovas galten im KZ als friedliche Arbeitskräfte", sagt der Konstanzer Historiker Arnulf Moser, der ihren Fall recherchiert hat. „Nur wenn ihre Arbeit direkt dem Kriegseinsatz diente, haben sie sich geweigert und vermutlich ist Anna Luise Meissner bei einer solchen Protestaktion erschossen worden.“

Erste von Nazis verbotene Glaubensgemeinschaft

Anfang der 1930er-Jahre lebten in Deutschland rund 25.000 Zeugen Jehovas. Nur wenige Monate nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurden sie als erste Glaubensgemeinschaft verboten.

Weil sie sowohl den Hitlergruß als auch die Teilnahme an NS Veranstaltungen verweigerten, wurde ihnen Staatsfeindlichkeit unterstellt. Mehr als 11.000 Zeugen wurden im Nationalsozialismus inhaftiert, 2000 von ihnen kamen in Konzentrationslager, wo rund 75 Prozent von ihnen umkamen – so wie Anna Meissner.Sie wurden ermordet oder starben an den unmenschlichen Haftbedingungen.

Unterwürfige Arbeitskräfte

Das, obwohl die SS sie als Arbeiter*innen schätzte. Zum einen waren sie gewissenhaft und hatten mit autoritären Ansagen kein Problem. Zum anderen sahen sie den Weltuntergang ohnehin nahen.

„Wir haben uns gegenseitig gestärkt und sogar Taufen durchgeführt. Ich geniere mich nicht zu sagen, wir haben manchmal geweint oder gezittert vor Angst.“

Daher legten sie ihr Schicksal ganz in Jehovas, also Gottes, Hand. Zu flüchten wäre für sie eine unzulässige Ermächtigung gewesen. Das wusste die SS zu nutzen und setzte Zeugen Jehovas gezielt für Außenarbeiten ein.

Einer von ihnen war Ernst Wauer, der im KZ Neuengamme bei Hamburg einsaß. 1982 erzählte er im SDR: „Wir waren unter uns, konnten uns gegenseitig stärken und haben sogar Taufen durchgeführt. Ich geniere mich gar nicht zu sagen, wir haben sogar manchmal geweint oder gezittert vor Angst.“

„Ihr Widerstand war kein politischer Widerstand“

Trotz ihrer Ängste verweigerten die Zeugen Jehovas jegliche Arbeiten für die Rüstungsindustrie. Sie wussten, dass ihnen damit die Hinrichtung drohte.

„Ihr Widerstand war kein politischer Widerstand“, sagt Detlev Garbe von der Stiftung Hamburger Gedenkstätten. „Ihnen ging es nicht um den Sturz des Hitlerregimes. Sie waren überzeugt, dass den Gott selbst herbeiführen wird. Sie kooperierten nicht mit anderen Widerstandsgruppen, für sie war der Widerstand ein reiner Bekenntnisakt, gleichwohl solidarisierten sie sich mit anderen Verfolgten.“

Gesellschaftliche Vorbehalte

Mit Ausnahme der Kriegsdienstverweigerer erhielten die überlebenden Zeugen Jehovas in den Nachkriegsjahrzehnten Entschädigungszahlungen, wie andere NS-Verfolgte auch.

Dennoch gebe es ihnen gegenüber gesellschaftliche Vorbehalte, sagt Detlev Garbe: „Das hängt aber nicht mit den geschichtlichen Hintergründen zusammen, sondern mit den Eigenarten dieser Glaubensgemeinschaft und ihrem Anspruch auf alleinigem Besitz der Wahrheit. Das ist etwas, was sie in der Gesellschaft weiterhin als eine Sondergruppe wahrnehmen lässt.“

Schicksale: Zeugen Jehovas im Dritten Reich

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Autor/in
Nela Fichtner