Der russische Angriffskrieg gilt auch der kulturellen Identität der Ukraine. So sind bereits Bomben auf die Verklärungskathedrale in Odessa gefallen – die ist bereits Teil einer Weltkulturerbestätte. Die UNESCO berät derzeit in Riad, wie diese verwundbare Stelle des Landes geschützt werden könnte.
Über 1.000 Kulturstätten beschädigt: Was kann die UNESCO ausrichten?
Die letzte, reguläre Sitzung sollte 2022 im russischen Kasan stattfinden. Doch die UNESCO hat sie verschoben. Zu groß war die Diskrepanz zwischen dem eigenem Anspruch und dem Krieg gegen die Ukraine, in dem diese Grundsätze eiskalt missachtet werden.
Nun wird die Konferenz nach langem Gezerre bis zum 25. September im Saudi-Arabischen Riad nachgeholt. Und die Entscheidungen haben Signalwirkung:
Die UNESCO stuft die Sophienkathedrale und das Höhlenkloster in Kiew als gefährdetes Weltkulturerbe ein, auch die Altstadt von Lwiw wurde am 15. September in die entsprechende Liste aufgenommen.
Durch den Krieg seien die Welterbestätten in Gefahr, heißt es in einer Erklärung der UN-Kulturorganisation. Ihr Schutz werde durch die Kampfhandlungen erschwert. Das zuständige Komitee beklagte in seiner Entscheidung zudem das anhaltende Sterben in der Ukraine und rief die internationale Gemeinschaft zum Schutz des Kultur- und Naturerbes des Landes auf.
Nur wenige Denkmäler in der Ukraine durch die UNESCO geschützt
Bislang ist die Ukraine mit acht Weltkulturerbe-Stätten bei der UNESCO vertreten. Nicht viel für ein so großes Land. Deutschland hat beispielsweise 51 Stätten auf der Liste. Von diesen wenigen ukrainischen Weltkulturerbestätten sind durch den Krieg fast alle bedroht, vier von ihnen jedoch ganz besonders:
Die kulturelle Identität der Ukraine soll ausgelöscht werden
Der WDR berichtete kürzlich, dass nach ukrainischen Angaben über 1.000 Kulturstätten durch den Krieg beschädigt worden seien. Dies sei ganz klarer Hinweis darauf, dass eine ukrainische Identität und Kultur bei den russischen Invasoren unerwünscht ist und gezielt ausgelöscht werden soll.
Schließlich hat der russische Präsident Putin die Ukraine vor der Invasion von 2022 als russisches Kernland bezeichnet.
Ukraine-Konferenz in Riad: Saudi-Arabien als Vermittler im Krieg mit Russland
Was kann die UNESCO tun?
Wirklich eingreifen kann die UNESCO in den Ukrainekrieg nicht. Doch die Änderung des Status der ukrainischen Stätten habe Signalwirkung. Das erklärte der Generalsekretär der deutschen UNESCO-Kommission Roman Luckscheiter gegenüber dem WDR:
Rechtlich ermögliche schon der Welterbestatus an sich, so Luckscheiter, Zerstörungen durch kriegerischer Angriffe zu verurteilen und zu verfolgen. Dafür gäbe es gute Beispiele aus dem Syrienkrieg. Dort wurden IS-Anhänger nach der Zerstörung von antiken Tempelanlagen zur Verantwortung gezogen.
Russland scheint jede Scham verloren zu haben
Letztlich wird sich Russland durch die Neueinstufung natürlich nicht abschrecken lassen. Stattdessen ist es weiterhin reguläres Mitgliedsland und kann sogar sein Veto gegen die Aufnahme weiterer ukrainischer Weltkulturerbestätten einlegen.
Roman Luckscheiter hofft auf eine Änderung des Stimmrechts:
Wie so eine Reform rechtlich durchzusetzen wäre, vor allem ohne das grüne Licht von China, weiß derzeit wohl niemand. Die Zukunft für die ukrainischen Weltkulturerbestätten bleibt also vorerst weiter ungewiss.
Ein Jahr Krieg in der Ukraine: Annäherung in unerreichbarer Ferne
In den frühen Morgenstunden des 24. Februar 2022 erklärt Russlands Präsident Vladimir Putin der Ukraine den Krieg. Wenig später werden aus Kiew die ersten Bombeneinschläge gemeldet. Seit einem Jahr wütet der Krieg in der Ukraine, Millionen Menschen befinden sich auf der Flucht, eine friedliche Lösung scheint in weiter Ferne.
Mehr Infos zum russischen Krieg in der Ukraine
Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Ein Jahr Krieg gegen die Ukraine - Wie prägt der Schrecken die Menschen?
Ein Jahr nach Russlands Angriff auf die gesamte Ukraine sind laut den Vereinten Nationen inzwischen mehr als 8 Millionen Menschen aus dem Land geflohen. Auch wenn viele dem Schrecken des Krieges entflohen sind, verfolgen sie die traumatischen Erfahrungen ihr Leben lang, erklärt uns die Traumatherapeutin und Soziologin Manuela Ziskoven.
Lebensbedrohliche Erfahrungen wie ein Krieg, sagt sie, "bleiben im Gehirn und im Körper, in jeder Zelle gespeichert”. Auch wenn eine Therapie dabei hilft, solche dramatischen Erlebnisse abzumildern, sei die dauerhafte Beschädigung, die lebenslange Narbe unvermeidbar. "Die Wunde heilt, aber die Narben bleiben”.
Ein unverarbeitetes Trauma kann sogar an die nächste Generation weitergegeben werden. So war es bei Matthias Lohre. Der Journalist ist ein sogenannter "Kriegsenkel" und hat die Traumata seiner Eltern und Großeltern aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg geerbt. Lange Zeit hatte er das Gefühl: "Ich muss meine Eltern entlasten, ich darf das Maß ihrer Traurigkeit nicht noch vergrößern, ich muss möglichst leicht sein. Und das geht am einfachsten, wenn ich gut funktioniere.”
Habt ihr weitere Themen oder Feedback? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de.
Hosts: Kristine Harthauer und Philine Sauvageot
Showrunner: Giordana Marsilio
Wir empfehlen zur Folge:
Den Song “Viter viie (Der Wind weht)” von Alyona Alyona: https://www.youtube.com/watch?v=6oaWFrsXv9M
Den Song “Kupala” von Alyona Alyona:
https://www.youtube.com/watch?v=6oaWFrsXv9M
Das Buch “Das Erbe der Kriegsenkel” von Matthias Lohre: https://www.penguinrandomhouse.de/Taschenbuch/Das-Erbe-der-Kriegsenkel/Matthias-Lohre/Penguin/e525275.rhd
24.2.2022 Die Nacht, in der Russland die Ukraine angriff
24.2.2022 | Schon in den frühen Morgenstunden des 24. Februar 2022 ist klar, dass Russland die Ukraine angreifen würde. Am Vorabend haben die russischen Separatisten in den ukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk Russland um Hilfe gebeten. Kaum jemand zweifelt daran, dass Putin dies als Begründung nehmen würde, diese Gebiete "befreien" zu wollen, schließlich hatte er sie schon zuvor schon als "autonome Republiken" anerkannt. So kommt es dann auch. Die Entwicklung spiegelt sich in den Radionachrichten. Nachts sind die Informationsradioprogramme der ARD zusammengeschaltet.
Um 4 Uhr morgens mitteleuropäischer Zeit hatte sich bereits der Sicherheitsrat getroffen, um über die offenbar bevorstehende Invasion zu beraten.
Eine halbe Stunde später bestätigen sich die Befürchtungen. Präsident Putin hat in der Zwischenzeit im russischen Fernsehen eine Ansprache gehalten. Davon handeln die Nachrichten um 4:30 Uhr.
Um 5 Uhr informieren die Nachrichten bereits über erste Explosionen in der ukrainischen Hauptstadt. Im Lauf des Morgens sind auch in den Radioprogrammen erste Augenzeugenberichte zu hören. Wir hören den Journalisten Roman Schnell, der sich zum Kriegsausbruch in Charkiw befand und anschließend Maria Kalus, Mitarbeiterin im ARD-Studio Kiew.
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UNESCO tagt zu Welterbe in Riad
UNESCO-Kommission besorgt über Situation in der Ukraine
Welterbeliste