Knallige Farben, starke Kontraste und plakative Motive: Die Pop Art der 1960er und 1970er hat bei Künstlern im Südwesten tiefe Spuren hinterlassen. Gerade Stuttgart mit seiner Kunstakademie und seinen Siebdruck-Werkstätten galt damals als Pop Art-Hotspot der Region. Eine Ausstellung in der Städtischen Galerie Backnang zeigt, wie das Pop Art-Lebensgefühl den Südwesten prägte.
Popikonen mit regionalem Bezug
Jimi Hendrix, Michael Bloomfield, Julie Driscoll – eine ganze Wand in der Ausstellung ist den knallbunten Porträts gewidmet. Die Farbkontraste zwischen den bekannten Gesichtern und den Hintergründen entsprechen der typischen Pop Art Ästhetik: Lila auf Orange, Dunkelblau auf Giftgrün oder Schwarz auf Knallrot.
Ikonen aus Musik und Entertainment sind auch in der amerikanischen Pop Art beliebte Motive – man denke nur an die ikonische Marilyn-Monroe-Bilderserie von Andy Warhol. Hier in Backnang mischen sich Abbildungen von internationalen Persönlichkeiten mit regionalen Bezügen.
Pop Art made in Backnang
Einer der Drucke zeigt das Gesicht einer unbekannten Sängerin mit Mikrofon – die Bildunterschrift lautet „Schlagerwettbewerb“. Gemeint ist der jährliche Nachwuchswettbewerb auf dem Straßenfest Backnang.
Die Porträts an dieser Wand stammen von Hellmut Bomm, einem Künstler mit besonderem Bezug zu Backnang: „Die Backnanger kennen ihn als denjenigen, der von 1974 an jeden Bierkrug zum Backnanger Straßenfest gestaltet hat“, sagt Martin Schick, Leiter des Graphik Kabinetts Backnang.
Heinz Edelmann war Art Director der Beatles
Neben Hellmut Bomm waren auch andere regionale Künstler musikbegeistert, zum Beispiel Heinz Edelmann, der Art Director des Beatles-Film „Yellow Submarine“ war, sagt Schick: „Dieser Film ist durchdrungen von einer ganz speziellen, farbenfreudigen und fantasievollen Ästhetik, die richtig typisch die 70er-Jahre abbildet.“
Die DVD des Trickfilms liegt in einer Vitrine. Auf dem Cover ist eine psychedelisch anmutende Zeichnung zu sehen. Sie zeigt die Beates in Schlaghosen und knallbunten Hemden mit übergroßen Krawatten, zu ihren Füßen das besungene gelbe U-Boot.
Stuttgart war ein Pop Art Hotspot
Der Grafiker und Illustrator Heinz Edelmann war für viele Jahre Professor an der Stuttgarter Akademie der bildenden Künste. Die Kunstakademie in Stuttgart dürfte einer der Gründe sein, weshalb Pop Art gerade im deutschen Südwesten so viel Resonanz gefunden hat.
Ein Großteil der ausgestellten Künstler hat hier studiert oder gelehrt. Außerdem war Stuttgart zu dieser Zeit ein Zentrum des Siebdrucks.
Knallige Farbflächen dank Siebdruck
Die Kunstakademie verfügte über eine eigene Siebdruckwerkstatt und namhafte Druckhäuser hatten in Stuttgart ihren Standort. Der Siebdruck war eine beliebte Technik unter Pop Art Künstlern.
„Mit dieser Ästhetik konnte man wunderbar Farbkontraste ins Bild setzen, richtig tolle, knallige Flächen“, sagt Martin Schick, der die Ausstellung zusammen mit Kuratorin Simone Scholten konzipiert hat. „Die Siebdruck Ästhetik hat, glaube ich, die ganze Sache befeuert.“
Pop Art und Gesellschaftskritik
Thematisch setzen sich die Werke oft mit Politik und Gesellschaft auseinander. Ein Beispiel für die Verbindung zwischen Pop Art und Gesellschaftskritik sind die Arbeiten von Hans-Dieter Sumpf, der zum Beispiel ein Plakat für seine Band gemacht hat.
„'Hotzenplotz' hießen die“, sagt Schick. „Sie haben Politrock gemacht, das steht auch auf dem Plakat. Die waren wahrscheinlich von der 68er-Aufbruchsbewegung beeinflusst.“
Hans-Dieter Sumpf kritisiert die Machtverhältnisse
Neben dem Bandplakat hängt ein weiterer Druck von Hans-Dieter Sumpf, der mit Blick auf aktuelle politische Ereignisse neue Relevanz gewinnt. Zu sehen ist Rainer Barzel, ein CDU-Politiker der 1970er Jahre, der seinerzeit durch ein Misstrauensvotum Kanzler werden wollte.
Er trägt einen schwarzen Anzug mit blauer Krawatte. Eine rothaarige Frau pudert ihm die Stirn. Die Bildunterschrift: „Glatt, sauber und trügerisch, die Verpackung: Barzel“.
Neuer Blick auf das Lebensgefühl im Südwesten
Kunstwerke wie dieses wären ohne die Arbeit der Kuratoren wohl in Vergessenheit geraten. Es sind zum Teil noch nie gezeigte Arbeiten aus der Sammlung des Graphik-Kabinetts, andere stammen aus dem Nachlass der Künstler oder den Archiven der Kunstakademie.
Die Ausstellung eröffnet einen ganz neuen Blick darauf, wie Pop Art und das damit verbundene Lebensgefühl auch im deutschen Südwesten seine Spuren hinterlassen haben.
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