Die installativen Arbeiten der Künstlerin Grada Kilomba zählen international zu den interessantesten Auseinandersetzungen mit kolonialer Geschichte. Grada Kilomba ist 1968 mit westafrikanischen Wurzeln in Lissabon geboren und lebt seit langem in Berlin. Die Kunsthalle Baden-Baden präsentiert erstmalig ihr bisheriges Gesamtwerk mit der Ausstellung „Opera to a Black Venus“.
Farbe Schwarz und Trauer stehen im Mittelpunkt
Es beginnt mit der Farbe Schwarz und damit auch mit Trauer. Beides ist für die Arbeiten von Grada Kilomba zentral. Durch große schwarze Vorhänge muss man im ersten Raum der Ausstellung „Opera to a Black Venus“ hindurchgehen. Fast fühlt es sich an wie eine Umarmung, dieses Labyrinth aus schwarzem Stoff – dann wieder erscheint es als ein schwarzes Tor, durch das man hindurchmuss, um Dinge zu sehen, die auch wehtun.
Was würden wir sehen, wenn der Ozean morgen kein Wasser mehr hätte?
Mit „Opera to Black Venus“ stellt die Kunsthalle Baden-Baden erstmalig das bisherige Gesamtwerk von Grada Kilomba vor. Das gleichnamige neue Werk ist eine Videoinstallation, die die Frage stellt „What would the bottom of the ocean tell us tomorrow, if emtied of water today?” – Was würde uns der Meeresgrund morgen erzählen, wenn das Wasser heute entleert würde?
Politische Dimension von Trauer
Zu sehen ist ein schwer atmender Chor von Menschen, die vor einer steinernen Kulisse stehen. Wie in Zeitlupe schält sich aus der Gruppe ein Mann heraus, der sich langsam mit rudernden Armbewegungen auf die Kamera zubewegt und vor ihr untergeht. Eine Frau folgt ihm auf die gleiche Weise.
Man versteht: Würde der Ozean kein Wasser mehr haben, würde er uns morgen von den abertausenden Leichen schwarzer Menschen erzählen, die in den Meeren während ihrer Flucht gestorben sind. Ohne, dass sie jemand betrauert. Die politische Dimension von Trauer und der unterschiedliche Wert, den Körpern zugestanden wird, ist ein zentrales Thema von Grada Kilomba.
Grada Kilomba wurde 1968 mit westafrikanischen Wurzeln in Lissabon geboren. In ihren interdisziplinär angelegten Arbeiten will sie Verdrängtes heben und das erscheinen lassen, wofür es sonst keine öffentliche Sprache gibt. Mit ihrer Kunst will sie Geschichte neu erzählen und dabei diejenigen, die von ihr vergessen wurden, die unsichtbar gemacht wurden, in das Zentrum der Erinnerung stellen.
Verkohlte Holzblöcke – Grabsteine für die Ertrunkenen
Dass nur in Zeremonien von Trauer und Gedenken überhaupt erst Erinnerung entsteht, verhandelt auch ihre Performance „The Boat“, die 2022 in der Kunsthalle Baden-Baden präsentiert wurde und die hier in Teilen als Installation „Eighteen Verses“ zu sehen ist.
Verkohlte Holzblöcke, auf denen in Gold Gedichte eingraviert sind, wie Grabsteine für die Ertrunkenen. Diese Arbeit machte darauf aufmerksam, dass es keine offizielle Erinnerung an die seit Jahrhunderten global verschleppten Körper gibt, die als Sklaven in diesen Booten transportiert wurden.
Die Boote von damals sind die Boote von heute
Grada Kilomba will versteckte Geschichte erzählen. Die Boote von damals sind die Boote von heute, die auf dem Mittelmeer untergehen. Es sind dieselben Körper, dieselbe Gewalt, dieselben Bilder, die sich wiederholen, sagt sie.
Was sie interessiert, ist die historisch immer wiederkehrende Gewalt. Diese ist auch Thema in ihren Videoinstallationen zu „Antigone“ oder „Ödipus“ – eine Art performatives Storytelling, das die Mythen neu erzählt.
Verschränkungen von kolonialer Gewalt und Raubbau
Die Verschränkungen von kolonialer Gewalt und Raubbau an der Erde sind im letzten Raum erfahrbar. In „Table of Goods“ ist Erde zu einem großen kegelförmigen Haufen aufgeschüttet, in dessen unteren Rand Kerzen gesteckt sind. In dem Erdhaufen sind die Schätze der Erde zu entdecken: Zucker, Kaffee, Schokolade, Gewürze. Eine Installation, die gleichzeitig die Gaben der Erde wie auf einem Altar wertschätzt und an die vielfältige Gewalt erinnert, die damit in Zusammenhang steht.
Die Arbeiten von Grada Kilomba sind poetische Geschichten und Traumabewältigung zugleich, die herkömmlichen Erzählungen von Macht und Dominanz unterlaufen. Vergessener Geschichte wird hier, zumindest in der Kunst, Gerechtigkeit zuteil.
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