Ist das Kunst oder kann das weg?

Butterberge und Schrott: Wie Künstler mit Müll berühmt wurden

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Autor/in
Natali Kurth
SWR Autorin Natali Kurth

Kunstwerke aus Schrott, Abfall oder Gerümpel haben in der Kunstgeschichte eine lange Tradition. Künstler wie Marcel Duchamp, Kurt Schwitters oder Daniel Spoerri haben sich mit der Thematik auseinandergesetzt.

Wenn Gerümpel zu Kunst wird

Marcel Duchamp gilt als Pionier. Er erklärte ein Pissoir zur Kunst und stellte damit den klassischen Kunstbegriff in Frage. Manchmal wird ein Kunstwerk als solches auch gar nicht erst erkannt. Die Fettecke von Josef Beuys war so ein Fall, sie wurde aus Versehen weggeputzt. Seit den 1950er-Jahren nennt man Kunst aus Gerümpel auch Junk Art.

Um Verfall und Neubeginn geht es auch in der Ausstellung „So wie es ist, bleibt es nicht“ im Museum Boppard.

Marcel Duchamp
Kurt Schwitters
Daniel Spoerri
Joseph Beuys
HA Schult

Marcel Duchamp (1887 – 1968) – Der Skandal ums Urinal

Marcel Duchamp
Marcel Duchamp gilt als Erfinder der sogenannten „Readymades“. Er stellte den traditionellen Kunstbegriff in Frage, in dem er allein die Auswahl eines Gegenstandes zur Kunst erklärte.

Einer der ersten Künstler, der mit Abfallmaterialien arbeitete, war Marcel Duchamp. 1913 schuf er das „Fahrrad-Rad“, das aus Fahrradteilen besteht.

1917 erklärte er ein umgedrehtes Urinal zu einem Kunstwerk, gab ihm den Titel „Fountain“ und wurde damit berühmt – obwohl das Urinal mit dem Urteil „Das ist keine Kunst“ einst bei einer Ausstellung abgelehnt wurde.

Fahrrad-Rad von Marcel Duchamp aus dem Jahr 1913
Das Fahrrad-Rad von Marcel Duchamp entstand 1913. Das Kunstwerk besteht aus einzelnen Teilen eines Fahrrades. Marcel Duchamp war ein wichtiger Vertreter der Konzeptkunst.

Duchamp stellte den traditionellen Kunstbegriff in Frage. Mit seinen sogenannten „Readymades“ erklärte er bereits die Auswahl eines Gegenstandes zu einem künstlerischen Werk. Das führte zu einem Skandal und einer großen Kontroverse, was Kunst ist und was nicht. Marcel Duchamp gilt als wichtiger Vertreter der Konzeptkunst und Wegbereiter des Dadaismus.

Kurt Schwitters (1887 – 1948) – Wenn Weggeworfenes durch die Wohnung wuchert

Collagenhaftes Porträt des Künstlers Kurt Schwitters
Kurt Schwitters erfand die sogenannte „Merz-Kunst“. In seinem Atelier schuf er eine riesige Collage aus Papier, Pappe und anderen Fundstücken, die sich auch ihren Weg in andere Räume seiner Wohnung bahnten.

Kurt Schwitters erregte mit seinem sogenannten „Merzbau“ Aufsehen. Er collagierte um das Jahr 1923 in seinem Atelier Papier und Fundstücke zu einem geometrischen Gesamtkunstwerk. Das breitete sich immer weiter aus und das Sammelsurium nahm auch angrenzende Räume seiner Wohnung ein.

Kunstwerk "The Doctor" aus dem Jahr 1919 von Kurt Schwitters
Kurt Schwitters sammelte gerne und überall. Papierreste oder Zigarettenstummel verwendete er für seine Assemblagen, also für Collagen aus plastischen Elementen. „The Doctor“ entstand im Jahr 1919.

Das Original des Merzbaus wurde im Zweiten Weltkrieg bei einem Luftangriff auf Hannover zerstört. Es gilt als das erste begehbare Kunstwerk. Eine Rekonstruktion ist im Sprengel-Museum in Hannover zu sehen.

Daniel Spoerri (*1930) nagelt Essensreste an die Wand

Künstler Daniel Spoerri
Der Schweizer Künstler Daniel Spoerri ist einer der bedeutendsten Vertreter der sogenannten „Objektkunst“.

Der Schweizer Künstler Daniel Spoerri gilt als Erfinder der sogenannten „Eat-Art“ und ist einer der bedeutendsten Künstler der Objektkunst. Seine „Tableaus pièges“, die „Fallenbilder“ entstanden um 1960.

Essensreste an der Wand von Künstler Daniel Spoerri
Daniel Spoerri fixierte Essensreste auf zufällig gefundenen Unterlagen und hängte sie an die Wand. Diese Essensreste waren allerdings nicht zum Verspeisen bestimmt. Vielmehr sollten sie den Betrachter irritieren.

Spoerri, Mitbegründer der Künstlerbewegung des „Nouveau Realimse“, fixierte dabei Essensreste und Geschirr auf zufällig gefundenen Unterlagen und hat somit einen Alltagsmoment festgehalten. Im Gegensatz zur „Eat-Art“ handelte es sich dabei aber nicht um essbare Kunstobjekte.

Joseph Beuys (1921 – 1986) – Kiloweise Fett in der Ecke und Filz auf dem Kopf

Jospeh Beuys
„Jeder Mensch ist ein Künstler“, sagte Joseph Beuys. Das Markenzeichen von Jospeh Beuys, Künstlers und Professors an der Kunstakademie Düsseldorf, war sein Filzhut.

„Jeder Mensch ist ein Künstler“ sagte Joseph Beuys. Sein äußeres Markenzeichen war ein schwarzer Filzhut. Die Gesellschaft sah er als soziale Plastik.

In die Ecken seiner Wohnung und auch in seinem Atelierraum in der Düsseldorfer Kunstakademie schmierte er kiloweise Fett. 1986 entfernte dort ein Hausmeister den Butterberg sorgfältig. Das wurde ein großer Skandal.

Fettstuhl von Jospeh Beuys
Joseph Beuys installierte in seinem Atelier in der Düsseldorfer Kunstakademie Butterberge. Zu seinen Kunstwerken mit Fett gehört auch der prominente Fett-Stuhl. Ab 1958 setzte Joseph Beuys Fett in seiner Kunst ein.

Auch die Installation von Jospeh Beuys, bei der er in einer Badewanne für eine Vernissage Mullbinden und Heftpflaster arrangierte, wurde durch eine Putzaktion zerstört. Im Zusammenhang mit Kunstwerken wie der Badewanne oder der Fettecke wird gerne die Redewendung „Ist das Kunst oder kann das weg?“ benutzt.

HA Schult (*1939) – Elektronik-Schrott und „Trash people“

Künstler HA Schult
Der Aktionskünstler HA Schult setzt sich gegen die Wegwerfgesellschaft ein. Von 1958 bis 1961 studierte er an der Kunstakademie Düsseldorf bei Karl Otto Götz.

Seit 1996 gestaltet der Aktionskünstler HA Schult die sogenannten „Trash People“. Diese Müllmenschen aus Abfall sind lebensgroß und weisen auf die negativen Folgen der Konsumgesellschaft hin. Sie wurden schon in vielen Teilen der Welt gezeigt. Vor den Pyramiden in Ägypten, im Atomendlager in Gorleben oder bei der Skulpturen-Triennale in Bingen am Rhein.

Künstler HA Schult zwischen seinen "Trash People"
HA Schult ist besonders für seine „Trash People“, seine „Müllmenschen“ bekannt. Die lebensgroßen Skulpturen aus Abfall waren schon an vielen Orten auf der Welt zu sehen.

Ein Mahnmal gegen die Wegwerfgesellschaft ist auch die sechs Meter hohe Skulptur „Wertgigant“ aus dem Jahr 2021. Sie besteht aus Elektroschrott.

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Die Kehrseite von Wohlstand und Überfluss ist das, was übrigbleibt, der Abfall. Er gehört zum menschlichen Leben, nicht erst seit Beginn des Massenkonsums, sondern seit je. Davon handelt Roman Kösters Monografie „Müll. Eine schmutzige Geschichte der Menschheit“.

C.H.Beck Verlag, 422 Seiten, 29 Euro
ISBN 978-3-406-80580-6

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